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Beitrag vom 08.10.2014

Kölner Stadt-Anzeiger

Mit Kreativität gegen Billig-Wahn

Recycling-Kleider aus Afrika feiern Erfolge - Nachhaltigkeits-Trend greift nur langsam

VON TANJA BRANDES

Köln.Für Nelly und Nelsa Guambe ist der Kleidermarkt von Maputo eine Quelle der Inspiration. Hier, in Mosambiks Hauptstadt, landen wie in vielen Metropolen Afrikas die Kleider, die bei uns niemand mehr haben will. Der Handel mit den Altkleidern aus Europa ist für viele Afrikaner Lebensgrundlage - gleichzeitig hemmt die Kleiderschwemme aus der westlichen Wegwerfgesellschaft jedoch die Entstehung einer lokalen Bekleidungsindustrie.

Ausgerechnet hier, auf der Kleidermüllkippe für Industrienationen, finden die Zwillinge Nelly und Nelsa, 27, ihr Rohmaterial, aus dem sie fantasievolle Designerstücke machen und über ihr eigenes Upcycling-Label "Mima-te" verkaufen. Bereits als Kinder trugen die Schwestern die Second-Hand-Kleidung vom Markt. Irgendwann fingen sie an, die Kleider nach ihrem eigenen Geschmack umzuschneidern, anfangs nur für sich selbst.

Vor vier Jahren wurde daraus eine Geschäftsidee, 2012 gründeten Nelly und Nelsa "Mima-te", das sie gerade in Köln vorstellten. Auf Einladung der Baumwoll-Initiativen "Cotton made in Africa" und "Competitive African Cotton Initiative" (Compaci) zusammen mit der Deutschen Entwicklungsgesellschaft präsentierten die Designerinnen erstmals eine Kollektion in Deutschland.

Mit ihren Kreationen wollen Nelly und Nelsa nicht nur zeigen, dass die vermeintlichen Wegwerfklamotten ein neues Leben als Design-Unikate führen können. Sie wollen ein Bewusstsein für Nachhaltigkeit schaffen: Kauft man wirklich noch ein T-Shirt, das zu Hungerlöhnen in Billiglohnländern produziert wurde - nur um es nach einer Saison am anderen Ende der Welt entsorgen zu lassen?

Ein Umdenken ist zumindest in Deutschland zu erkennen: 52 Prozent der Bundesbürger sind einer Studie zufolge grundsätzlich bereit, für ökologisch und ethisch korrekt produzierte Produkte mehr Geld auszugeben. Einen Schub gab es, als vor eineinhalb Jahren in der Rana-Plaza-Textilfabrik in Bangladesch über 1100 Menschen starben. Firmen wie C&A, Mango und Kik ließen hier ihre Kleidung fertigen.

Auch in der Politik tut sich etwas: Ein geplantes Textilsiegel soll bei der Herstellung von Kleidung ökologische und soziale Mindestanforderungen garantieren, und zwar entlang der gesamten Produktionskette vom Baumwoll-Anbau bis zum fertigen Produkt. Unklar ist allerdings, wie die Kontrolle der textilen Kette gewährleistet werden soll. Denn schon jetzt scheitern viele Initiativen am Kostendruck des Textilhandels.

Nicht der Handel alleine übt den Druck aus. Trotz aller Lippenbekenntnisse achten die meisten Deutschen im Laden immer noch als erstes auf den Preis und nicht auf die Herstellungsbedingungen. "Das Aldi-Gen ist bei uns Deutschen eben tief verankert", sagt Dieter Overath, Geschäftsführer von Transfair. Die Organisation vergibt das Fairtrade-Siegel für fair produzierte und gehandelte Produkte. Er ist dennoch optimistisch: "In zehn Jahren wird kein großes Unternehmen mehr davonkommen, wenn sein Produkt kontaminiert ist, sei es im sozialen oder im ökologischen Bereich",

Das liege aber vor allem an den wirtschaftlichen Bedürfnissen der Unternehmen. "Die Industrie fängt an, sich zu fragen, woher sie in der Zukunft ihre Rohstoffe beziehen wird", sagt Overath. Die Ressourcen würden knapper. "Um die zukünftige Rohstoff-Produktion zu sichern, müssen Unternehmen zunehmend in nachhaltige Produktionsweisen investieren."

Gerade im Textilbereich ist noch viel zu tun. Der Anteil alternativ produzierter Baumwolle liegt im Welthandel bei 7,6 Prozent. Der rein biologisch erzeugte Anteil macht weniger als 0,6 Prozent aus. Zudem wird nachhaltige Baumwolle oft auf dem langen Produktionsweg mit herkömmlicher Baumwolle vermischt. Denn komplett nachhaltig Baumwollstoff herzustellen, lohnt sich für die Textilunternehmen in der Regel noch nicht.

"Umdenken reicht nicht, wir müssen im großen Stil anders konsumieren und anders produzieren", sagt Dieter Overath. Dafür müssten aber Konsumenten und Produzenten bereit sein, mehr zu investieren. "Nachhaltiger Konsum wird langfristig nicht kostenneutral durchzuführen sein." Bis dahin wird auf den afrikanischen Märkten weiterhin Kleidung landen, die in den Industrienationen nur wenige Male getragen wurde. Einige dieser Kleider werden vielleicht ein neues Leben beginnen - als Designerstück von "Mima-te".

Nachhaltiger Konsum wird nicht kostenneutral durchzuführen sein

Vielzahl an Initiativen für bessere Baumwolle

Fairtrade kämpft für einen Mindestpreis für Rohbaumwolle (zwischen 40 und 60 Cent pro Kilogramm). Die Initiative schließt Gen-Saatgut aus und fördert umweltschonende Produktion.

Cotton made in Africa konzentriert sich auf den Vertrieb afrikanischer nachhaltiger Baumwolle.Die Competitive African Cotton Initiative wurde 2005 zur Förderung des Einkommens afrikanischer Bauern gegründet.

Die Better Cotton Initiative (BCI) ist die mengenmäßig größte Standardinitiative. Sie ist weltweit aktiv und will Pestizid- und Wassereinsatz vermindern.(bra)