Beitrag vom 30.09.2018
Handelsblatt
Südafrika: Die Gewalt hat Südafrika fest im Griff
Wolfgang Drechsler
Südafrikas größtes Problem bleibt die Kriminalität. Mord und Überfälle sind an der Tagesordnung. Darunter leidet nicht nur die Bevölkerung, sondern auch die Wirtschaft.
KapstadtAls vergangene Woche in Südafrika die jüngste Kriminalstatistik veröffentlicht wurde, musste ich an unwillkürlich an Oscar Pistorius denken. Was wurde über diesen einen Fall nicht alles geschrieben – so viel, dass am Ende kaum mehr Platz für andere Berichte aus diesem Teil der Welt blieb.
Die Ironie: Am Ende erfuhren viele Leser gar nicht mehr, dass die nach einem langen Berufungsverfahren zunächst verhängte Strafe von sechs Jahren in allerletzter Instanz auf 13 Jahre und fünf Monaten erhöht wurde – mehr als doppelt so hoch wie das ursprüngliche Strafmaß.
Für die Richter im abschließenden Berufungsverfahren war der Fall jedenfalls klar gelagert: Anders als die Richterin im Hauptprozess erkannten sie eine deutlich kriminelle Absicht als Pistorius im Februar 2013 viermal auf die kleine Toilettenkabine schoss, hinter der sich seine damalige Freundin Reeva Steenkamp verschanzt hatte – davon wollte Pistorius nichts gewusst haben.
Der Werdegang des Sportlers vom international gefeierten Athleten zum Todesschützen und die jahrelange juristische Aufarbeitung des Falles gehören zu den größten Geschichten, über die ich in meinen 25 Berufsjahren aus Südafrika berichtet habe. Ich erinnere mich noch genau an den Morgen, als ich im Radio zum ersten Mal von der Tat hörte – und mich kurz darauf für eine am gleichen Tag verfasste Reportage darauf festlegte, dass es wohl keine Verwechslung mit einem Einbrecher war, die Pistorius zur Schusswaffe greifen ließ. Es musste etwas anderes gewesen sein, etwa ein aus dem Ruder gelaufener Streit, wie es am Ende wohl auch der Fall war.