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Beitrag vom 08.12.2018

FAZ

Der „Marshallplan“ stockt

Afrika-Hilfskonzepte der Regierung wenig koordiniert

ppl. FRANKFURT, 7. Dezember. In der Entwicklungspolitik für Afrika hat die Bundesregierung seit vergangenem Jahr große Ankündigungen gemacht, etwa den „Marshallplan“ von Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU), der sich im Namen an die ehemalige amerikanische Aufbauhilfe für Europa nach dem Zweiten Weltkrieg anlehnt. Teile dieses Projekts kommen aber nur schleppend vorwärts. Zwar sind bislang drei sogenannte Reformpartnerschaften – mit Tunesien, Ghana und der Elfenbeinküste – unterzeichnet worden, mit drei weiteren Staaten – Äthiopien, Marokko und Senegal – laufen Gespräche.

Ziel der Partnerschaften soll es sein, die Rahmenbedingungen für privatwirtschaftliche Investitionen zu verbessern. Und es sollen damit indirekt auch, so die Hoffnung der Bundesregierung, Fluchtursachen bekämpft werden. Der Migrationsdruck soll abnehmen, wenn sich Afrika wirtschaftlich besser entwickelt und dort Arbeitsplätze für die stark wachsende Bevölkerung geschaffen werden. Jeweils 100 Millionen Euro hat Deutschland schon für die drei Reformpartnerländer Elfenbeinküste, Tunesien und Ghana zugesagt, die konkret in den Ausbau von erneuerbaren Energien und die Reform des dortigen Finanzsektors fließen sollen.

Aber die gewünschte Beteiligung deutscher Unternehmer, die der Regierung so wichtig war, bleibt bisher auf der Strecke. „Bislang beteiligen sich keine Unternehmen finanziell an den genannten Maßnahmen und Projekten“, musste die Parlamentarische Staatssekretärin Maria Flachsbarth (CDU) in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion mitteilen. Das Eingeständnis hat dort für Ärger gesorgt. „Minister Müller muss vom Ankündigungs- in den Handlungsmodus“, sagt Olaf in der Beek, Obmann der FDP im Ausschuss für Entwicklungszusammenarbeit. „Vielleicht geht das, was der Minister anschiebt, an den Unternehmen vorbei.“

Es gebe zwar „immer mehr Geld, aber keine abgestimmte Strategie“ in der Afrika-Politik, kritisiert in der Beek. Es fehle eine „koordinierende Hand“ zwischen dem „Marshallplan“ des Entwicklungsministers, dem „Compact with Africa“ des Finanzministeriums und der Initiative „Pro Afrika“ des Wirtschaftsministeriums. Laut einer Studie sind insgesamt sogar 14 deutsche Ministerien in irgendeiner Weise in Afrika engagiert.

Der Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft hingegen teilt die scharfe Kritik an der Bundesregierung nicht. Sicherlich sei das Gesamtpaket der Afrika-Strategie „etwas unübersichtlich“, und die Programme seien teils „mit heißer Nadel gestrickt“, wie der Hauptgeschäftsführer Christoph Kannengießer zugibt. „Aber die Richtung insgesamt stimmt, dass nun die Regierung endlich mehr tut, um Unternehmen den Weg nach Afrika zu ebnen.“ Besonders die vor einem Monat gemachte Ankündigung von Kanzlerin Merkel (CDU) von einer Milliarde Euro für einen neuen Entwicklungsinvestitionsfonds. Das Geld soll auch kleinen und mittleren Unternehmen sowohl aus Europa als auch aus Afrika helfen, Beteiligungen und Darlehen zu finanzieren. Außerdem macht die Regierung es attraktiver, wenn sich Unternehmen an riskante Afrika-Geschäfte wagen. Für Hermes-Bürgschaften und für Investitionsgarantien wurde der Selbstbehalt jeweils halbiert.

Einen anderen Plan hat Entwicklungsminister Müller indes still und leise beerdigen müssen: das Entwicklungsinvestitionsgesetz, das steuerliche Anreize für Investoren in Afrika setzen sollte, vor allem durch verbesserte Abschreibungsmöglichkeiten. Im Sommer hatte er groß dafür geworben, im Koalitionsvertrag war es erwähnt. Vergangene Woche teilte Müller dem Entwicklungsausschuss des Bundestages beiläufig mit, dass aus dem Gesetz nichts mehr wird in dieser Legislaturperiode. Wie aus Berlin zu hören ist, hat sich das Finanzministerium dagegen gesperrt.

Der AfD-Abgeordnete Markus Frohnmaier, Obmann im Entwicklungsausschuss, kritisierte Müller als gescheiterten Ankündigungsminister. Berlin habe keinen wirklichen Plan für die Herausforderung Afrika. Ganz anders China, das mit großen Infrastrukturprojekten den Kontinent erschließe und eine klare geopolitische Strategie verfolge. „Die Bundesregierung müsste definieren, was unsere nationalen Interessen sind“, so der AfD-Politiker. Dazu zählt er einerseits, Unternehmen zu helfen, Investitionen zu tätigen, neue Märkte zu erschließen und Jobs zu schaffen. „Andererseits ist es naiv zu glauben, das allein werde Fluchtursachen beseitigen. Man muss die Migrationsströme anders stoppen.“ Es sei eine Illusion, dass etwas mehr wirtschaftliche Entwicklung die Migration stoppe, denn es kämen keineswegs die Ärmsten. Tatsächlich hat eine Studie des Bonner Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) festgestellt, dass aus armen Entwicklungsländern bei steigendem Einkommen mehr Migranten kommen, die sich dann die Reise leisten können.

Die deutsche Wirtschaft ist bislang in Afrika insgesamt nur sehr überschaubar aktiv. Auf 10 Milliarden Euro summieren sich die Direktinvestitionen – das ist gerade mal ein Prozent der gesamten deutschen Auslandsinvestitionen auf der Welt. Vor allem in Südafrika und ein bisschen in Nordafrika haben sich die Unternehmen engagiert. „Auf der weiten Strecke zwischen Johannesburg und Tunis gibt es nur ganz wenig“, erklärt Kannengießer vom Afrika-Verein. In diesem Jahr sollen nach seiner Schätzung immerhin private Investitionen aus Deutschland für eine Milliarde Euro hinzukommen. Es gibt einige prominente Beispiele: Daimler baut sein Werk in East London in Südafrika über die nächsten Jahre für 600 Millionen Euro aus, VW eröffnete gerade eine Fabrik in Ruanda, die jährlich 5000 Autos produzieren sollen. Siemens hat Großprojekte in Ägypten, Autozulieferer wie Leoni und Dräxlmaier in Tunesien. Kannengießer sagt: „Ich habe jetzt die große Hoffnung, dass sich langsam was ändert.“