Skip to main content
For a different development policy!

Beitrag vom 12.12.2018

FAZ

Rohstoffe

Ein erbitterter Kampf mit Geld und guten Taten

Konzerne aus dem Westen und Fernost wetteifern in Afrika um Rohstoffe. Die einen haben Regeln, die anderen spielen auf Zeit – im Wissen, dass der Kontinent immer tiefer in der Schuld Chinas steht.

Von Jan Grossarth

MUFULIRA, 11. Dezember
Der Kupfergürtel im Norden Sambias ist eines der größten Fördergebiete dieses Rohstoffs auf der Welt. Die Gegend ist arm, die öffentliche Infrastruktur rückständig. Aber hier leben, wegen des Kupfers, Menschen aus aller Welt. Denn es gibt Geld zu verdienen. Kupfer ist ein Rohstoff, der für die Elektroindustrie wichtig ist, er steckt in Halbleitern und E-Batterien. Also begegnet man im Kupfergürtel Bergbauingenieuren aus China und Südafrika, aus Indien und Europa. Die vielen tausend Minenarbeiter sind meist Sambier oder Kongolesen. Es gibt hier indische Restaurants, es gibt Krankenhäuser, die von Schweizern oder Chinesen finanziert werden.
Mufulira ist eine Kleinstadt im Kupfergürtel, wenige Kilometer entfernt an der Grenze zu Kongo. Anhand seiner Krankenhäuser lässt sich sehen, mit welchen Mitteln der Konkurrenzkampf um die globalen Rohstoffe ausgefochten wird. Weil es immer wieder tödliche und lebensgefährliche Verletzungen in den Kupferminen gibt, finanzieren die Förderkonzerne medizinische Kliniken. Es geht darum, die verletzten Arbeitnehmer zu versorgen, aber eben auch darum, im Gegenzug für die Schürfrechte der lokalen Bevölkerung etwas zurückzugeben.

In Mufulira, unweit der riesigen Abraumhalden der Kupferminen, steht auf der einen Seite ein Krankenhaus, das aus der Schweiz finanziert wird – und unweit davon das chinesische, das Sinozam Friendship Hospital. Das Schweizer Klinikum heißt Malcom Watson Hospital. Es könnte eine Filmkulisse sein. Es wurde unter der britischen Kolonialherrschaft 1937 gegründet, und die engen Flure und weiß lackierten Backsteinzellen haben die Atmosphäre dieser Jahre konserviert. Der Chefarzt berichtet von großen Erfolgen im Kampf gegen HIV und Malaria. Das Hospital steht der Bevölkerung offen; finanziert wird es von Mopani, einem Gemeinschaftsunternehmen des sambischen Staates und Glencore, dem Rohstoffkonzern aus der Schweiz.

Glencore ist mit Abstand der größte Abnehmer von Kupfer aus Sambia. Und Kupfer ist das wichtigste Exportgut dieses afrikanischen Staates. Es macht rund 80 Prozent der Ausfuhren aus. Für gut 3,5 Milliarden Dollar exportiert Sambia im Jahr Waren in die Schweiz, die Heimat von Glencore, so die Daten der Weltbank. Nach China gehen Rohstoffe und Waren im Wert von gut 1,3 Milliarden Dollar, Tendenz steigend.

Der Kampf um das Kupfer wird härter. Sie kämpfen ihn auch mit guten Taten. Dass es nicht nur darauf ankommt, politische Abhängigkeiten zu schaffen, sondern auch Gutes für die lokale Bevölkerung zu tun, haben auch die Chinesen erkannt. Das lässt sich dann auch von den sambischen Volksvertretern als Erfolg des Bergbaus durch ausländische Unternehmen vorzeigen. Mit chinesischem Geld wird seit einigen Jahren zum Beispiel auch ein weiteres Klinikum in Mufulira finanziert.

Glencore leistet es sich, eine ganze Schule zu unterhalten. Aus ihr seien schon mehrere Harvard-Absolventen hervorgegangen, berichtet die Schulleiterin stolz. Es ist eine Schule, die Tausenden Armen in dieser Region Hoffnung gibt. Wer hier aufgenommen wird, muss kein Schulgeld zahlen und darf auf eine berufliche Karriere in den Vereinigten Staaten, in Europa oder in der fernen sambischen Hauptstadt Lusaka hoffen. Glencore finanziert auch eine Golfschule, einen Golfplatz oder ein eindrucksvolles modernes Trainings-Center für angehende Bergbau-Ingenieure.

Die Chinesen aber haben noch ein anderes Mittel. Das sind die Staatsschulden. Mit Milliardenkrediten aus China finanziert Sambia seit Jahren einen beispiellosen Ausbau seiner Infrastruktur. Straßen über Tausende Kilometer, Flughäfen wie im südlichen Livingstone oder der Hauptstadt Lusaka – neu gebaut, von chinesischen Unternehmen, oft heillos überdimensioniert.
Dem Staat droht die Überschuldung. Das Verhältnis von Staatsschulden zum Bruttoinlandsprodukt hat sich in weniger als zehn Jahren verdreifacht. Die Staatsschulden lagen 2011 bei 21 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, 2017 schon bei 59 Prozent. Und Sambia ist kein Einzelfall. Die Staatsschulden im südlichen Afrika sind in jedem zweiten Land des Afrikas südlich der Sahara auf mehr als 50 Prozent gestiegen, berichtete das Magazin „Economist“.

Steuert der Staat auf die nächste Überschuldung hin? Seitdem die Kupferpreise 2012 zurückgingen und die Patriotische Front später die Wahlen gewann, steigen Staatsausgaben, Staatsschuld und Auslandsverschuldung wieder drastisch an. Die Gehälter im öffentlichen Dienst haben sich fast verdoppelt. Die Kosten für den Straßenbau übersteigen jedes Normalmaß – für Experten ein deutlicher Hinweis auf Korruption. Vor 13 Jahren erlebte Sambia dabei schon einmal eine Überschuldung – und profitierte, wie 18 weitere afrikanische Staaten, vom Erlass aller Schulden durch den Internationalen Währungsfonds. Das waren insgesamt 3,3 Milliarden Dollar. Diverse westliche Staaten schlossen sich an und erließen mehr als 30 Milliarden Euro Schulden. Seither avancierte China zum größten Kreditgeber afrikanischer Staaten. Doch diese Kredite sind nicht an strukturelle Anpassungen geknüpft, anders als etwa Weltbank-Darlehen.

Aber was würde passieren, wenn China eines Tages die Rückzahlung forderte – die Länder wie Sambia nicht mehr leisten könnten? Würde es auch Schulden erlassen? Oder auf Rückzahlung beharren, notfalls in Form von Rohstoffen, Schürfrechten, Landnutzungsrechten?
„China versucht, einen Kontinent in Abhängigkeit zu bringen“, sagt ein deutscher Industrievertreter in Johannesburg, der nicht genannt werden will. Das Vorgehen der Chinesen sei in politischen und wirtschaftlichen Kreisen das Hauptthema dieser Zeit, erzählt er. Zum Beispiel die Infrastruktur: In Namibia errichtet die China Harbor Engineering Company einen großen Containerhafen. Bezahlt wird dies großteils mit chinesischen Krediten. Zusätzliche umgerechnet 6,4 Milliarden Dollar will Namibia in den kommenden Jahren von China aufnehmen.
Für den Moment stößt das Vorgehen im südlichen Afrika auf wenig Kritik. Die hitzigen Debatten über geplante Enteignungen weißer Farmer in Südafrika und Namibia erhalten größere Aufmerksamkeit. Eine Ausnahme war kürzlich ein dramatischer Weckruf der bekannten Fernsehjournalistin Mumbi Seraki. Sie rief in ihrem Videoblog: Leute, wacht auf! Es gibt nichts umsonst! Sie sagte wörtlich: „Es ist nicht zum Lachen. Sambia wird die erste afrikanische Nation sein, die eine chinesische Kolonie wird.“

Spricht man aber mit einfachen Leuten, überwiegt durchaus meist die Freude über das, was die Chinesen Nützliches bringen: Stromleitungen und Straßen, ein offenkundig ernsthaftes Geschäftsinteresse. „Sie nehmen uns ernst, sie machen hier gute Geschäfte“, sagt Felix Kangwa, ein Kleinbauer in Nkolemfumu im nordöstlichen Sambia. „Seitdem Chinesen hier sind, habe ich einen Kühlschrank, habe ich ein Telefon.“ Zuvor war das kleine Bauerndorf nicht mit elektrischem Strom versorgt. Aber was ist in Zukunft? Arme Bauern wie Kangwa haben wenig Kraft, auch darüber noch nachzudenken. Außerdem ist die Sorge, was übermorgen sein könnte, in afrikanischen Kulturen vergleichsweise gering ausgeprägt. In manchen afrikanischen Sprachen gibt es nicht mal eine Zukunftsform.

Über den Hafen in der Walfischbucht dürften künftig immer mehr Rohstoffe nach China verschifft werden – neben Kupfer auch das begehrte Kobalt oder Agrarrohstoffe, die den wachsenden Fleischappetit der Chinesen befriedigen. Je stärker präsent die Chinesen auf dem Kontinent sind, desto drückender lastet die Frage auf westlichen Konzernen wie Glencore, wie damit umzugehen sei. Denn das Druckmittel der Schulden haben sie im Austausch mit den staatlichen afrikanischen Behörden oder Regierungen nicht.

Bleibt die Chance, sich als fairer, ganzheitlich engagiert, als bessere Investoren im ethischen Sinne zu präsentieren. Gerade im Falle von Glencore mag das in manchen Ohren ironisch klingen, wird das Unternehmen doch immer wieder mit Betriebsunfällen in den bis mehr als 1000 Meter tiefen Kupferminen in Verbindung gebracht. Die Förderanlagen sind teils mehr als 70 Jahre alt. Bei einem Besuch im Kupfergürtel ließ Glencore die F.A.Z. auch nicht in die Bergwerke unter Tage – mit der Begründung, die Zeit von knapp drei Tagen vor Ort sei dafür zu knapp. Aber Glencore zeigt gern seine Schulen und modernen Ausbildungszentren, es zeigt die Krankenhäuser. Und verweist auf Hunderte Millionen Dollar Investitionen in Schwefelfilter und andere Umweltmaßnahmen und auf seine lange Geschichte in Sambia. Glencore ist mit knapp 16000 Arbeitern der zweitgrößte Arbeitgeber in Sambia nach dem Staat, allein für die Gemeinschaftsgesellschaft Mopani arbeiten 4500 Menschen.

Auch deutsche Interessenvertreter bereisen regelmäßig Sambia, etwa vom Kompetenzzentrum Bergbau und Rohstoffe, das vom Bundeswirtschaftsministerium mitgetragen wird. Aurubis ist ein deutscher Importeur von Kupfer. Deutsche Zulieferer wie Putzmeister und Andritz beliefern die Minenbetreiber Afrikas. Zwar ist dort zu hören, deutsche Bergbautechnik sei langlebiger und hochwertiger als chinesische. Langfristig aber, erzählt ein Industrievertreter, „wird es unsere Chance sein, dass wir uns über ethisches Verhalten von den Chinesen abgrenzen“. Teilnehmer von Konferenzen über fairen Bergbau in Afrika berichten, dass Chinesen hier gar nicht vertreten gewesen seien. Andererseits lehrt die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) neuerdings chinesische Seiten das ethische Investment.

Enttäuschend sei, dass gerade der deutsche Mittelstand trotzdem Afrika immer noch scheue, sagt der deutsche Wirtschaftsvertreter. „Man hört oft: Der Chinese ist ja sowieso schon da, gibt es denn noch einen Markt für uns?“, erklärt er. „Die Unternehmen müssen nun aber schnell vor Ort sein, sonst schließt sich bald das Fenster der Chancen.“