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For a different development policy!

Beitrag vom 14.12.2018

Kölner Stadt-Anzeiger

Nicht nur Rohstofflieferant sein

Afrikas Abhängigkeiten angehen – Verarbeitende Industrien schaffen

von Peter Seidel

Im UN-Migrationspakt, der von mehr als 150 Staaten im marokkanischen Marrakesch angenommen wurde,
wird unter den Zielen „für eine sichere, geordnete und reguläre Migration“ als zweiter Punkt direkt auf die Situation in den Heimatländern von Migranten Bezug genommen. Die Staaten verpflichten sich, „förderliche politische, wirtschaftliche und soziale Bedingungen sowie Umweltbedingungen zu schaffen, unter denen die Menschen in ihren eigenen Ländern ein friedliches, produktives und nachhaltiges Leben führen und ihre persönlichen Ambitionen verwirklichen können“.

Dieses Ziel verfolgt die Bundesregierung seit anderthalb Jahren verstärkt mit dem unter ihrer
G20-Präsidentschaft aus der Taufe gehobenen „Compact with Africa“, der privatwirtschaftliche
Investitionen in ausgewählten Ländern des Nachbarkontinents einwerben soll. Und auch mit ihrer eigenen Afrikapolitik setzt sie in viel stärkerem Maß als bisher auf privatwirtschaftliches Engagement in Afrika. Sie plant einen Fonds von einer Milliarde Euro, damit kleine und mittlere deutsche Unternehmen in Ghana, der Elfenbeinküste, Senegal oder Burkina Faso, in Äthiopien, Ägypten, Südafrika oder Ruanda Geld investieren.

Kurt Gerhardt, Mitinitiator des Bonner Aufrufs, in dem Experten seit 2008 eine andere Entwicklungszusammenarbeit von der Bundespolitik fordern, kann das nicht beeindrucken „Die deutsche Wirtschaft finanziert in Afrika etwa 200000 Arbeitsplätze.Die sind in den Maghrebstaaten, in Südafrika und Nigeria. Das war’s.“ In den meisten anderen Ländern seien die Investitionsbedingungen für deutsche Unternehmen einfach nicht gegeben, sagt er im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Um das zu ändern, seien aber als allererste die Regierungen und Gesellschaften in den afrikanischen Ländern selbst gefragt. „Wir können die Wirtschaft dort nicht aufbauen. Das müssen die Länder selbst machen. Entwicklung muss von innen kommen“, so Gerhardt.

Die Initiatoren des Bonner Aufrufs haben auf einer Konferenz im Herbst mit einem „Bonner Memorandum“ bekräftigt, dass es an der Zeit sei, die bisherige Entwicklungshilfe aufzugeben und sie durch wirtschaftliche Zusammenarbeit auf Basis der Beachtung gegenseitiger Interessen zu ersetzen.

Die bilaterale deutsche Entwicklungshilfe mit Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas beträgt In diesem Jahr mit 4,4MilliardenEuro knapp die Hälfte (44 Prozent) des Haushalts im zuständigen Bundesministerium. Das Geld fließt in günstige Kredite für Projektfinanzierungen in Entwicklungsländern und in die Finanzierung technischer Zusammenarbeit, also den Einsatz von Spezialisten in Entwicklungsländern.

Die dahinter stehende Philosophie geißelt der Bonner Aufruf als „paternalistisches Verhalten gegenüber Afrika“, das die „Würde und die Bereitschaft zur Eigenverantwortung der Menschen in Afrika“ missachte. Es müsse vielmehr darum gehen, eine differenzierte Strategie zu entwickeln, „die auf die Überwindung postkolonialer Abhängigkeitsverhältnisse abzielt“, so die Gegner der hergebrachten Entwicklungspolitik in ihrem Memorandum. Was die Entwicklungshilfe-Kritiker damit meinen, ist zum Beispiel der Aufbau einer funktionierenden verarbeitenden Industrie für die vielfältigen Bodenschätze und sonstigen Rohstoffe Afrikas, damit der Kontinent nicht in der Rolle des Rohstofflieferanten für den Rest der Welt verharre.

Tatsächlich gibt es weiterverarbeitende Industriebetriebe allenfalls in einer Handvoll afrikanischer Länder. Die Bonner Experten nennen das Beispiel Botsuana, das Rohdiamanten selbst weiterverarbeitet.

In den meisten afrikanischen Ländern in Subsahara-Afrika fehlt es jedoch an einer genügend stabilen, verlässlichen Rechtsordnung und an funktionierender öffentlicher Infrastruktur. In Ländern wie der Demokratischen Republik Kongo oder dem Südsudan, beide reich an Bodenschätzen, kommen interne Konflikte hinzu. An deutsche Privatinvestitionen ist hier nicht zu denken. In anderen Staaten des Kontinents wiederum ist die übergroße Mehrheit der Bevölkerung so arm, dass die geringe Kaufkraft sie unattraktiv für ausländische Investoren macht. Dazu zählen etwa Mali oder Burkina Faso, wichtige Transitländer für Arbeitsmigranten auf dem Weg nach Europa. Zu schweigen von oft korrupten Eliten, die die öffentlichen Kassen als Selbstbedienungsladen betrachten.

Ob es vielen afrikanischen Staaten in dieser Gemengelage möglich sein wird, ohne Hilfe von außen die nötigen Rahmenbedingungen für Privatinvestitionen aus Deutschland und anderen Industriestaaten zu schaffen, bleibt abzuwarten. Traditionelle deutsche Entwicklungspolitik hin oder her.