Beitrag vom 07.09.2019
FAZ
Frieden für Moçambique
Die katholische Kirche vermittelte entscheidend bei der Beendigung des Bürgerkriegs/Von Matthias Rüb
MAPUTO, 6. September
Bischof Matteo Zuppi ist dieser Tage ein viel gefragter und beschäftigter Mann. Am vergangenen Sonntag teilte Papst Franziskus beim Angelus-Gebet auf dem Petersplatz mit, dass der 63 Jahre alte Erzbischof von Bologna zu jenen 13 Geistlichen gehört, die er beim Konsistorium vom 5. Oktober ins Kardinalskollegium aufnehmen wird. Die Entscheidung des Papstes hat den Bischof nach eigenen Angaben überrascht.
Zuppi wird im Kardinalskollegium die überrepräsentierte Gruppe der Italiener weiter verstärken. Fast jeder Fünfte der derzeit 213 Kardinäle ist Italiener. Sie stellen auch bei den wahlberechtigten Kardinäle unter 80 Jahren – nach dem Oktober-Konsistorium werden es 127 sein – knapp zwanzig Prozent. Zuppi kann sich aber auch der Gruppe der afrikanischen Kardinäle zurechnen. Denn er ist Staatsbürger ehrenhalber von Moçambique, und zum Auftakt der einwöchigen Reise von Papst Franziskus nach Südost-Afrika gratulierte am Donnerstag in Maputo der moçambiquanische Präsident Filipe Nyusi „seinem“ neuen Kardinal. Nyusi dankte Zuppi im Namen des gesamten Volkes dafür, was er für den Frieden in Moçambique geleistet habe.
Der Dank der Moçambiquaner für die Friedensdienste Zuppis gebührt der katholischen Laiengemeinschaft Sant’Egidio. Gegründet hat sie 1968 der italienische Historiker Andrea Riccardi. Sie ist heute in 73 Ländern auf allen Kontinenten vertreten und zählt 50000 Mitglieder. Sant’Egidio initiiert und unterstützt Friedensinitiativen in aller Welt, leistet humanitäre Hilfe, fördert die Ökumene und den interreligiösen Dialog und hilft marginalisierten Gruppen, in Italien derzeit vor allem Migranten und Roma. Bei Sant’Egidio weiß man, dass sie zu den besonderen Lieblingen von Papst Franziskus unter den „neuen“ geistlichen Gemeinschaften in der Weltkirche gehören. Die Berufung von Zuppi ins Kardinalskollegium ist auch eine Anerkennung des Papstes für die Gemeinschaft.
Matteo Zuppi ist Sant’Egidio seit je verbunden. Nach dem Abschluss des Studiums in seiner Heimatstadt Rom war er fast drei Jahrzehnte in der Kirche Santa Maria im Stadtteil Trastevere tätig, zunächst als Kaplan, später als Priester. Die Basilika in Trastevere ist zugleich Sitz der Gemeinschaft Sant’Egidio. Von 2000 bis 2012 war Zuppi Geistlicher Assistent von Sant’Egidio, also der offizielle Verbindungsoffizier zwischen der Kurie und der Glaubensgemeinschaft.
Die zentrale Rolle, die Sant’Egidio seit Jahrzehnten im Friedensprozess in Moçambique spielt, ist unbestritten. Ohne den unermüdlichen Einsatz von Sant’Egidio, insbesondere von Gemeinschaftsgründer Andrea Riccardi und von Bischof Matteo Zuppi, gäbe es womöglich bis heute keine realistische Aussicht auf Versöhnung in Moçambique. Bei der Unterzeichnung des historischen Friedensvertrags vom 6. August in Maputo war Zuppi anwesend, als offizielles Mitglied des Verhandlungsteams und als Taufpate des Friedensprozesses. Das Abkommen, das Staatspräsident Nyusi für die regierende sozialistische „Befreiungsfront Moçambiques“ (Frelimo) und Ossufo Momade für die einstige Guerrilla und heutige Oppositionspartei „Nationaler Widerstand Moçambiques“ (Renamo) unterzeichneten, soll dem Land endlich „definitiven Frieden“ bringen. Der Bürgerkrieg hat die Republik Moçambique seit ihrer Unabhängigkeit von 1975 blutig begleitet. Mehr als eine Million Menschen starben. Gut vier Jahrhunderte hatte die portugiesische Kolonialherrschaft über Moçambique gedauert, gut vier Jahrzehnte dauerte danach der Bürgerkrieg. Der begann in den späten Jahren des Kalten Krieges als klassischer Stellvertreterkrieg der damaligen Supermächte. Die Sowjetunion und ihre Blockstaaten unterstützten die marxistische Frelimo. Die Vereinigten Staaten und ihre afrikanischen Verbündeten, Südafrika und das damalige Rhodesien, stärkten der rechten Renamo mit Waffen und Söldnern den Rücken.
Ein erstes Abkommen für einen Frieden wurde 1992 unterzeichnet, wenige Jahre nach dem Zerfall der Sowjetunion. Dieser „Vertrag von Rom“ wurde nach zweijährigen Verhandlungen, maßgeblich vermittelt von Sant’Egidio und unterstützt von der Regierung in Rom sowie der italienischen Bischofskonferenz, beim Sitz der Gemeinschaft in Trastevere unterzeichnet. Mit dabei waren Matteo Zuppi und Andrea Riccardi, auch er heute Ehrenbürger von Moçambique. Der „Vertrag von Rom“ ebnete den Weg zu den Wahlen von 1994. Die gewann erwartungsgemäß die bis heute alleinherrschende Frelimo, es kehrte relativer Frieden ein. 2013, im Vorfeld der für das folgende Jahr angesetzten Wahlen, brach der Konflikt wieder auf. Ein weiteres Friedensabkommen von 2014 wurde kurz nach der Unterzeichnung wieder gebrochen. Nun, mit dem Vertrag vom 6. August 2019, soll der Frieden „definitiv“ sein. Mit seinem Besuch in Maputo ermunterte Papst Franziskus die Moçambiquaner, auf dem Weg der Versöhnung weiter voranzuschreiten.
Am Freitagmorgen, unmittelbar vor der Messe mit 60000 Gläubigen im Nationalstadion von Zimpeto, besuchte Franziskus das 2002 von Sant’Egidio gegründete Hospital im nahe gelegenen Armenviertel Ka Mabukwana. Die Krankenstation im Norden Maputos ist Teil des Programms „Disease Relief through Excellent and Advanced Means“, abgekürzt Dream, von Sant’Egidio. Die Ärzte und Pfleger im Dream-Hospital von Ka Mabukwana, wo fast 340000 Menschen in prekären Verhältnissen leben, widmen sich vor allem der Behandlung und Vorbeugung von HIV-Erkrankungen. In Maputo ist fast ein Viertel der erwachsenen Bevölkerung mit HIV infiziert. Seit 2002 wurden in den inzwischen 13 Dream-Krankenstationen von Sant’Egidio in ganz Moçambique mehr als 200000 HIV-Infizierte behandelt. Unter ihnen 10000 werdende Mütter, die ihre Babys ohne Übertragung der HI-Viren zur Welt bringen konnten.
Franziskus küsste in dem Hospital reihenweise nach wie vor stigmatisierte „Aids-Babys“ und legte deren Müttern seine Hand zum Segen auf. Anders als im Ringen um den Frieden in dem südostafrikanischen Land stehen die rund 30 Millionen Moçambiquaner und Sant’Egidio im Kampf gegen die Verbreitung des HI-Virus noch mitten in der Schlacht.