Beitrag vom 29.10.2019
FAZ
Zu schwaches Wachstum in Afrika
Die Schwergewichte Südafrika und Nigeria schleppen sich dahin
clb./ppl. KAPSTADT/LONDON, 28. Oktober. Wenigstens im Sport feiert Südafrika einen Erfolg: Seit die Springboks, die nationale Rubgy-Mannschaft, am Sonntag den Einzug ins Halbfinale der Weltmeisterschaft in Japan geschafft haben, schwelgt man am Kap in Siegeslaune. „Wir sind eine Nation, die geschaffen ist, zu gewinnen“, jubelte Staatspräsident Cyril Ramaphosa.
In wirtschaftlicher Hinsicht jedoch ist Südafrika ein großer Bremser auf dem Kontinent. Die „Ramaphoria“ genannte Hoffnung auf einen baldigen Aufschwung nach dem Ende der Herrschaft von Jacob Zuma hat sich verflüchtigt. Zeitweise schrumpfte die Wirtschaft. Die Notenbank erwartet in diesem Jahr nur noch ein Wachstum von 0,6 Prozent. Gleichzeitig kletterte die offizielle Arbeitslosenquote auf 29 Prozent, das höchste Niveau seit mehr als 15 Jahren.
Die Stagnation ist auch Schwierigkeiten bei der Stromversorgung geschuldet. Vor kurzem musste der Versorger Eskom abermals an mehreren Tagen stundenweise den Strom abstellen. Der Staatskoloss ist nicht nur hoch verschuldet, sondern hat nach jahrelangem Missmanagement und Korruptionsskandalen auch operative Schwierigkeiten. Auch die von Ramaphosa versprochenen Reformen, um Investoren anzulocken und die Wirtschaft anzukurbeln, kommen nicht in Gang. Ökonomen sind auch für die kommenden Jahre daher nur gebremst optimistisch. Der Weltbank zufolge ist 2020 ein Wachstum von 1 Prozent und 2021 von 1,3 Prozent möglich. Auch diese Raten reichen bei weitem nicht, um Arbeitsplätze zu schaffen und die Armut zu bekämpfen.
Auch für andere afrikanische Volkswirtschaften sind die Aussichten nicht rosig. In Nigeria, dem bevölkerungsreichsten Land des Kontinents mit fast 200 Millionen Einwohnern, ist das Wirtschaftswachstum unter 2 Prozent gesunken, obwohl der Ölpreis stieg. Die Wachstumsrate liegt damit unter dem Bevölkerungswachstum. Schuld daran sei zum großen Teil die erratische und protektionistische Wirtschaftspolitik von Präsident Muhammadu Buhari, urteilen die Ökonomen von Capital Economics in London. Für die nächsten zwei Jahre erwartet die Beratungsgesellschaft zwar eine Beschleunigung auf 2,2 und 2,5 Prozent Wirtschaftswachstum. „Angesichts der hohen Bevölkerungszunahme werden die Pro-Kopf-Einkommen aber weiter fallen“, sagt William Jackson von Capital Economics.
Angola, der andere große westafrikanische Ölproduzent, steckt im vierten Jahr in einer Rezession. Erst im nächsten Jahr sieht es nach einer kleinen Erholung aus, doch diese reicht nicht, um die Verluste auszugleichen. Die schwache Währung und die hohe Dollar-Verschuldung bleiben ein Risiko. Auch Namibia macht dieses Jahr eine Rezession durch. Katastrophal bleibt die Lage in Zimbabwe, das eine schwere Rezession mit 6 Prozent Einbruch der Wirtschaftsleistung durchleidet. Millionen Menschen droht nach Missernten eine Hungersnot.
Besser läuft es in Ostafrika mit den regionalen Schwergewichten Kenia und Tansania. Für Ostafrika insgesamt sagt der Ökonom François Conradie von NKC African Economics im kommenden Jahr eine leichte Abschwächung auf knapp 6 Prozent Wachstum voraus. Die wirklichen Hoffnungswerte waren in den vergangenen Jahren Ruanda, Ghana und Äthiopien, dessen Premierminister Abiy Ahmed vor kurzem mit dem Friedensnobelpreis geehrt wurde. Einige Jahre glänzte Äthiopien mit Wachstumsraten von mehr als 10 Prozent, zuletzt sanken sie etwas. Die zunehmende politische Instabilität des Landes bedroht Abiys Reformwerk. „Wenn der Premierminister an der Macht bleiben kann, dann glauben wir, dass das Wachstum wieder zunimmt angesichts einer gelockerten Fiskalpolitik“, sagt Jackson. Für Nordafrika hält er knapp 3 Prozent Wachstum für realistisch, weil die Wirtschaft in Ägypten, in Tunesien und in Libyen etwas besser läuft.