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Beitrag vom 15.11.2019

FAZ

Noch ein „Einhorn“ aus Afrika

Das in Nigeria groß gewordene Fintech Interswitch hat einen Marktwert von mehr als 1 Milliarde Dollar. Jetzt ist Visa eingestiegen. Von Claudia Bröll, Kapstadt

Sieben Monate nach dem Börsengang von Jumia, auch das „Amazon von Afrika“ genannt, sorgt ein weiteres sogenanntes Einhorn aus Afrika für Aufsehen. Interswitch, ein Unternehmen mit Sitz in Lagos, ist seit 2002 zu einem der führenden Anbieter digitaler Bezahlsysteme in Nigeria und anderen afrikanischen Ländern aufgestiegen. Nach Unternehmensangaben werden monatlich mehr als 500 Millionen Geldtransaktionen über seine Plattformen abgewickelt. Den Aufstieg zu einem Einhorn – so werden private Unternehmen mit einem Marktwert von mehr als 1 Milliarde Dollar bezeichnet – verdankt Interswitch auch dem Einstieg von Visa in dieser Woche.

Wie es in einer Unternehmensmitteilung heißt, übernahm der amerikanische Kreditkartenkonzern einen „bedeutenden Minderheitsanteil“. Über die Höhe der Investition wurden keine Angaben gemacht. Medienberichten zufolge handelte es sich um 200 Millionen Dollar für einen Anteil von 20 Prozent.

Afrika ist lange Zeit ein weißer Fleck auf der Weltkarte der IT-Branche gewesen. Doch über die Jahre hinweg hat sich in zahlreichen Ländern eine rege Gründerszene etabliert. Auf einem Kontinent, auf dem viele Menschen kein Bankkonto haben, aber so gut wie jeder ein Handy, liefern sich unzählige Fintech-Unternehmen mittlerweile einen harten Wettbewerb. Einige sind zu stattlichen Unternehmen aufgestiegen, die über Landesgrenzen hinaus aktiv sind. Die rasante Entwicklung geht auch an Investoren nicht vorbei, von Wagniskapitalgesellschaften, Private-Equity-Unternehmen bis zu den internationalen Branchenriesen.

Mastercard investierte beispielsweise im vergangenen Jahr in den ebenfalls in Nigeria tätigen Bezahldienst Flutterwave mit Sitz in San Francisco. Visa stieg in den Konkurrenten Paystack und andere lokale Unternehmen ein. Als einer der erfolgreichsten Pioniere in der Branche gilt der kenianische Mobilfunkkonzern Safaricom, eine Tochtergesellschaft der britischen Vodafone. Dessen Erfindung M-Pesa, ein Geldtransfer-System über das Handy, hat sich rasant in ganz Afrika verbreitet. Auch MTN, der größte Mobilfunkkonzern in Afrika, baut derzeit seine Angebote an Finanzdienstleistungen aus.

Im vergangenen Jahr seien in Afrika am Volumen gemessen 12 Prozent der Finanztransaktionen elektronisch abgewickelt worden, teilte Interswitch mit. Dies sei noch ein kleiner Anteil, verglichen mit 54 Prozent in Europa und 79 Prozent in Nordamerika. Der Markt südlich der Sahara sei jedoch der am schnellsten wachsende auf der Welt, getrieben von hohem Bevölkerungswachstum, der Urbanisierung und der weiteren Verbreitung von Mobilfunk und Internet.

Interswitch habe das Geschäft über mehrere Jahre hinweg profitabel ausgebaut, sagte Gründer und Chef Mitchell Elegbe: „Mit Visa planen wir jetzt die nächste Entwicklungsphase.“ Bisher gehört zu Interswitch ein führender afrikanischer Bankkartenanbieter sowie eine digitale Bezahlplattform, auf der die Nutzer Geld überweisen, Rechnungen bezahlen und Handyguthaben kaufen können. Zudem gab es in jüngerer Zeit mehrere Akquisitionen, unter anderem eines Entwicklers von Software für das Krankenhausmanagement.

Als Nächstes nun könnten die Nigerianer dem Jumia-Beispiel folgen und an die Börse gehen. Schon 2016 hatte das Unternehmen eine Notierung an der Börse in London und Lagos angekündigt, die Pläne aber wegen der Wirtschaftskrise in Nigeria aufgegeben. Jetzt soll es im kommenden Jahr so weit sein. Wie Bloomberg berichtete, bereiten Banken wie JP Morgan Chase & Co., die Citigroup und die südafrikanische Standard Bank schon die Notierung vor. Vor allem in den sozialen Medien löste die Aussicht auf den Börsengang Wirbel aus. Interswitch sei das erste „echt afrikanische“ Einhorn, schrieben einige Nutzer auf Twitter. Der Online-Händler Jumia ist zwar ausschließlich in Afrika aktiv, stammt aber aus der Berliner Startup-Schmiede Rocket Internet und wurde von zwei ehemaligen McKinsey-Beratern, einem Kanadier und einem Franzosen, gegründet. Zum Börsengang gab es deswegen rege Diskussionen, wie afrikanisch Jumia wirklich sei. Interswitch-Gründer Elegbe hingegen ist Nigerianer, ausgebildet an der Universität von Benin. Die Gründer des Hauptanteilseigners, der in Afrika tätigen Private-Equity-Gesellschaft Helios Investment Partners, sind zwei Landsleute mit Studienabschlüssen von den amerikanischen Universitäten Harvard und MIT sowie dem Kings College in London. Außerdem sind neben Visa eine amerikanische Private-Equity-Gesellschaft sowie die zur Weltbank gehörende Entwicklungsbank IFC an Afrikas neuem „Einhorn“ beteiligt.