Beitrag vom 13.05.2020
F.A.Z.
Eine pannenreiche Tour d’horizon
Zum Artikel „Ein Reformplan für Afrika“ (F.A.Z. vom 30. April) von Rolf J. Langhammer: Dass man auf kleinen Radtouren die Entwicklungspolitik nicht neu erfinden kann, hat Ihr Autor mit seinem Beitrag nachdrücklich bewiesen. Seine Tour d’horizon, für die die F.A.Z. eine ganze Seite zur Verfügung stellte, geriet jedenfalls pannenreich. Ich habe hier sicherlich nicht den Platz, mit all seinen Ungereimtheiten aufzuräumen, deshalb nur zwei, drei Hinweise.
Man kann nicht die von der EU – in Zusammenarbeit mit den AKP-Staaten – initiierten regionalen Partnerschaftsabkommen für irrig erklären, dann aber am Ende neue Abkommen anregen, die dann „grenzüberschreitende Sonderzonen“ heißen sollen. Kosmetik. Und das Ganze unter Führung afrikanischer multilateraler Organisationen, über deren Schlag- und Handlungskraft schon seit Jahren größte Zweifel bestehen. Die afrikanischen Staaten, meist keine klassischen Staatsgebilde sondern eher ethnische Bünde, schreiben den Nationalismus nach außen groß, da haben sie die EU als leuchtendes Beispiel. Überhaupt die EU. Ein Reformplan ist auf Seiten der Geber dringender als ein weiteres Herumdoktern in Afrika in den altbekannten Problemfeldern. Noch immer gibt es keine ernsthafte vergemeinschaftete EU-Entwicklungspolitik, die nationalen bilateralen Engagements haben immer noch Vorrang, jeder will mit seinem Geld selbst Gutes tun.
Sogar der Europäische Entwicklungsfonds ist nicht in der Hoheit der EU oder der Kommission, sondern wird von den EU-Nationalstaaten und den AKP-Staaten verwaltet. Wenn es endlich wenigstens auf europäischer Ebene zu einer einzigen Entwicklungspolitik käme, dann wäre für den insgesamt notwendigen multilateralen Ansatz viel gewonnen. Und es würden sich nicht etwa in der Bildungs- oder Gesundheitspolitik die zahllosen Geber um die Projekte vor Ort schlagen, meist mit unterschiedlichen Ansätzen. Bevor wir den Afrikanern zum hundertsten Mal sagen, was sie jetzt anders und besser machen sollen, muss endlich vor der eigenen Tür gekehrt werden. Sonst bleibt es bei dem patrimonialen Ansatz, den der Autor anspricht, am Ende aber mit seinen Allerweltsvorschlägen wieder bestens pflegt.
Dem landwirtschaftlichen Sektor müsse in Afrika ein Hauptaugenmerk gelten, wie, liest man vergeblich. Bisher jedenfalls ist dies in vielen Ländern Afrikas ein zentraler Schwerpunkt der Entwicklungszusammenarbeit (EZ), mit fatalen Folgen, siehe Äthiopien. Denn statt in großem Umfang die Ernährungssicherheit in diesem Land herzustellen, werden Millionen Geranienstecklinge gezogen. Nur für den Export, insbesondere nach Deutschland. Weil auch die Geber immer wieder, wenn sie Gutes tun, ihr Eigeninteresse haben. Das ist das Kernproblem. Schon immer. Man kann und muss immer wieder über die Ziele und die Praxis der EZ debattieren. Neue Ansätze, insbesondere wenn sie direkt von den Afrikanern kommen, sind immer gewünscht. Dieser Beitrag aber ist wahrlich kein ernstzunehmender Vorschlag.
Erich Stather, StaatSsekretär a. D.,
Mainz
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