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Beitrag vom 02.07.2020

GraensenGrenzen

Zusammenarbeit Afrika-Europa: Die Chancen zur Neuorientierung nutzen

Robert Kappel

Der Blogbeitrag stellt eine Zusammenfassung des Vortrages des Verfassers beim Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung des Deutschen Bundestages vom 1.7.2020 sowie der Veröffentlich bei der Friedrich-Ebert-Stiftung dar: Robert Kappel (2020), Africa-Europe Economic Cooperation. Using the Opportunities for Reorientation, Berlin: FES, 2020. Download: https://www.fes.de/en/shaping-a-just-world/peace-and-security/article-i…

Die Beziehungen der Europäischen Union zum afrikanischen Kontinent stehen vor besonderen Herausforderungen. Entgegen den Erwartungen werden die Verhandlungen zwischen den Partnern einer besonderen Probe unterzogen. Die weltweite Verbreitung von COVID-19 hat zu Wirtschaftskrisen in Europa, China und den USA sowie auf dem afrikanischen Kontinent geführt. Diese wirkt sich auch auf die Außenhandelsbeziehungen der EU mit Afrika aus. Der für Oktober 2020 geplante Gipfel zwischen Europa und Afrika wird von der globalen Coronavirus-Krise überschattet. Die EU und die afrikanischen Institutionen bewerten die Wirtschafts- und Gesundheitskrise für gravierender als die Finanzkrise 2008/2009. Die Folgen der Krise auf dem afrikanischen Kontinent sind so schwerwiegend, dass auch die Zusammenarbeit zwischen Afrika und der EU neu justiert werden sollte.

Seit dem 1.7. bis zum 31.12. 2020 hat Deutschland die europäische Ratspräsidentschaft inne. Von der Bundesregierung wird erwartet, dass sie sich vor allem um den europäischen Wiederaufbau kümmert und dass Europa sich geostrategisch besser aufstellt. Ein Schwerpunkt der deutschen Agenda ist auch die Kooperation mit Afrika. Die politische Führung der EU konstatiert, dass 2020 ein „entscheidendes Jahr“ für die europäisch-afrikanischen Beziehungen sein wird. Die Präsidentin der Europäischen Kommission, von der Leyen, rief zu einer „Partnerschaft auf Augenhöhe“ auf, die sich von der Geber-Nehmer-Beziehung lösen solle.

Zwei große Aushandlungsprozesse mit Afrika stehen an: Da ist die „Towards a Comprehensive Strategy with Africa“ (CSA)[1], die von der EU-Kommission für die Verhandlungen mit afrikanischen Ländern vorgelegt wurde. Die andere sind die Beratungen zur Fortführung des sog. Cotonou-Abkommens. Es ist noch nicht bekannt, wann die Verhandlungen zwischen den AKP-Staaten (African Caribbean Pacific) und der Europäischen Union abgeschlossen sein werden. Ursprünglich war geplant, das Cotonou-Abkommen bis Mitte 2020 in ein revidiertes Abkommen umzuwandeln.

Die EU ist der größte Handels- und Investitionspartner Afrikas. Im Jahr 2018 erreichte der Warenhandel zwischen den 27 EU-Mitgliedsstaaten und Afrika einen Gesamtwert von 235 Milliarden Euro (32 % des gesamten afrikanischen Handels). Die Handelsbeziehungen zwischen der EU und den afrikanischen Ländern sind zwar eng, aber nach wie vor asymmetrisch: Fast 30 % aller afrikanischen Exporte gehen in die EU, während Afrika für die EU nahezu unbedeutend ist. Zudem ist die Struktur der Exporte und Importe ungleichmäßig: Afrika exportiert vor allem unverarbeitete Rohstoffe und landwirtschaftliche Produkte, während die EU hauptsächlich Investitions- und Konsumgüter nach Afrika exportiert. Die europäischen Direktinvestitionen im Ausland beliefen sich 2017 auf 222 Mrd. € (Kapitalbestände) und sind damit weit höher als die der beiden Großmächte China und USA. Aber Europas Bedeutung auf dem Kontinent sinkt seit längerem.

Europäische Zusammenarbeit mit Afrika: Vom Cotonou-Abkommen zu einer umfassenden Strategie mit Afrika

In den letzten Jahren haben die Europäische Union und die EU-Mitgliedstaaten zahlreiche neue Strategien für Afrika entwickelt. Mit dem Cotonou-Abkommen von 2000[2] und insbesondere der Gemeinsamen Strategie (2007)[3] begann sich allmählich ein Wandel in den Beziehungen zwischen der EU und Afrika abzuzeichnen, und zwar aus vier Hauptgründen Erstens, das strategische Agieren Chinas machte das Land zu einem wichtigen Konkurrenten der EU. Der zweite Grund war, dass sich die afrikanischen Länder seit etwa 15 Jahren eines relativ hohen Wirtschaftswachstums erfreuen. Der dritte Grund war die Zunahme der Migration aufgrund von Krisen und Konflikten. Viertens zeigen zahlreiche neue afrikanische Initiativen, wie der Plan 2063 der Afrikanischen Union[4] oder die Afrikanische Kontinentale Freihandelszone (AfCFTA)[5], die 2019 verabschiedet wurde, dass die afrikanischen Staaten zunehmend strategisch handeln und die Zusammenarbeit mit allen Akteuren – China, Russland, Indien, die Türkei, die USA u.a. – ausloten.

Bewertung der CSA – „Nachhaltige Investitionen und Arbeitsplätze“.

Die CSA der EU ist eine Strategie, die die verschiedenen Herausforderungen, denen sich der Kontinent gegenübersieht, zusammenfasst. Dabei werden die Interessen der EU herausgestellt. So plädiert die EU in sog. „fünf Partnerschaften“ u.a. für ein grünes Wachstumsmodell, die Verbesserung des Unternehmensumfelds und des Investitionsklimas, die Förderung von Bildung, Forschung und Innovation, die Schaffung menschenwürdiger Arbeitsplätze und Wertschöpfung durch nachhaltige Investitionen sowie die Bekämpfung des Klimawandels. Die CSA schlägt u.a. eine substantielle Erhöhung ökologischer, sozialer und finanziell nachhaltiger Investitionen vor. Sie will Investitionen durch den verstärkten Einsatz innovativer Finanzierungsmechanismen (blended finance) unterstützen. Das Investitionsklima in afrikanischen Ländern solle verbessert werden, zugleich sollen Ausbildungs-, Forschungs- und Innovationskapazitäten erweitert werden.

Trotz dieser Sammlung von Zielen entsteht der Eindruck, dass es sich eher um eine Zusammenstellung wünschenswerter Maßnahmen handelt, die sich bereits in vielen Dokumenten der Weltbank, der G20 (Compact with Africa) und anderer Institutionen widerspiegeln. Es ist jedoch offensichtlich, dass 1. ein Mangel an fokussierten konzeptionellen Kriterien besteht, da nicht klar ist, über welche Kanäle die CSA Beiträge zur Linderung von Arbeitslosigkeit und Armut leisten will. Soll dies durch die Förderung der landwirtschaftlichen Entwicklung, der Industrieförderung von Industrieclustern, der Gründerszene oder von Sonderwirtschaftszonen geschehen? Es wird auch nicht analysiert, welche Rolle das lokale Unternehmertum und ausländische Unternehmen spielen sollen. 2. Welche Aufgaben sollten Institutionen, auch gemeinsame europäisch-afrikanische, wahrnehmen? Sollen sie einfach ein gutes Geschäftsumfeld garantieren oder gezielte Unterstützungsmaßnahmen durchführen? 3. Es stellt sich auch die Frage, welche finanziellen Mittel die EU zur Verfügung stellen will, um einen deutlichen Anstieg der Beschäftigung zu ermöglichen. Da die EU-Kommission vorsieht, durch ihre Aktivitäten zwei Millionen zusätzlicher Arbeitsplätze pro Jahr zu schaffen, ist die CSA-Finanzierung ein ebenso wichtiger Bestandteil der Maßnahmen wie die Qualität der Maßnahmen.

Neujustierung der Kooperation

Noch ist die CSA nur ein Papier, das in die Verhandlungen mit der afrikanischen Seite eingebracht wird. Doch die CSA weist konzeptionelle Schwächen auf. Zunächst einmal sind die europäischen Interessen nur vage formuliert. Geht es um geostrategisches Agieren gegenüber China, den USA und emerging economies? Oder will die EU lediglich europäische Investitionen fördern, oder zum Klimawandel beitragen, oder vor allem Armut und Arbeitslosigkeit beseitigen helfen? Die CSA ist ein Bündel von Ideen, die vom Digitalisierungsschub, green economy bis hin zu Handelsfragen reichen, ohne diese in eine Strategie einzubinden. Man bringt immer wieder neue Themen ein, ohne die ungelösten Fragen anzupacken. Deshalb bedarf es einer deutlichen Überarbeitung des CSA.

Angesichts der großen Herausforderungen auf dem afrikanischen Kontinent stellt sich also die Frage, wie eine künftige Partnerschaft gestaltet werden sollte und wie sie zu Wachstum und Strukturwandel, industrieller und landwirtschaftlicher Entwicklung, wirtschaftlicher Diversifizierung, Arbeitsplatzschaffung und Armutsbekämpfung beitragen kann. Dabei muss unbedingt berücksichtigt werden, a) dass sich die afrikanischen Länder in einem tiefgreifenden Wandel befinden, b) dass die afrikanischen Länder und ihre Institutionen ihre eigene Agenda verfolgen, c) dass die wirtschaftliche Dynamik und die globalen Machtverschiebungen auf dem Kontinent erkannt werden und d) dass das Zeitalter der postkolonialen Zusammenarbeit zu Ende geht.

Mit anderen Worten: Es geht nicht nur um Finanzströme oder um die Umstrukturierung des Handels, um die Beseitigung von Krisen und Pandemien oder um gute Regierungsführung. Es geht um einen grundlegenden Richtungswechsel, zu dem der Afrika-EU-Kooperationspakt beitragen soll. Es geht um eine Wende, die die traditionelle Abhängigkeit zwischen Europa und Afrika beendet. Europa ist aufgerufen, den großen Wandel auf dem afrikanischen Kontinent zu antizipieren. Wenn dies gelingt, kann Europa weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Diese Rolle darf jedoch nicht länger durch Dominanz und Asymmetrie gekennzeichnet sein. Gelingt dies, würde sich das europäische Engagement auch klar vom geostrategischen Handeln der USA, Chinas, Russlands und anderer Schwellenländer unterscheiden.

Dazu sind folgende Themenbereiche in den Fokus zu nehmen:

Neue Agrarpolitik

Gemeinsam mit den afrikanischen Ländern sollte eine kooperative Agrarpolitik entwickelt werden, die Maßnahmen zur „Ernährungssicherheit“ umfassen. Der europäische Agrarsektor ist der afrikanischen Landwirtschaft in jeder Hinsicht überlegen, dank seiner extrem hohen Produktivität und der Subventionen in Milliardenhöhe. Die Gemeinsame Agrarpolitik der EU funktioniert über die sog. Export- und Importschnittstelle: Steigert die EU als weltgrößter Agrarexporteur ihre Exporte, sinken die Weltmarktpreise. Sie können auch in Entwicklungsländern sinken, wodurch deren Wettbewerbsfähigkeit untergraben wird und lokale Produkte verdrängt werden. Nicht zuletzt wegen der hohen Ausgleichszahlungen an die Landwirte ist die EU zum größten Nahrungsmittelexporteur geworden. Darüber hinaus behindern nichttarifäre Handelshemmnisse der EU sowie hohe Handels- und Transportkosten die afrikanischen Agrarexporte. Die Folge dieser beiden Bedingungen ist die seit langem bestehende hohe Abhängigkeit Afrikas von Nahrungsmittelimporten. Es ist daher notwendig, dass Handels- und Agrarfragen bei den bevorstehenden EU-Afrika-Verhandlungen gemeinsam diskutiert werden. Das Ziel muss sein sicherzustellen, dass die afrikanische Landwirtschaft nicht weiter benachteiligt wird.

Unterstützung von Transformationsprozessen

Die Schaffung produktiverer Arbeitsplätze für die rasch wachsende Bevölkerung in Afrika ist von zentraler Bedeutung. Investitionen in städtische Ballungsräume können ein wichtiger Motor des Strukturwandels sein. Gerade in den Städten sind die Akteure des informellen Sektors die entscheidende Grundlage für das Überleben der Mehrheit der Bevölkerung. Viele afrikanische Länder verfolgen den Strukturwandel mit industriellen Konzepten. Politiken, die die Komplementarität zwischen Infrastrukturentwicklung, ausländischen und inländischen Investitionen vertiefen, sollten gefördert werden, um einen Technologietransfer von den europäischen Industriestaaten nach Afrika zu gewährleisten. Darüber hinaus sollten die Landwirtschaft und die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) im Zentrum der strategischen Zusammenarbeit stehen, denn vor allem hier wird sich entscheiden, ob der Kontinent erfolgreich in globale Wertschöpfung eingebunden werden kann und ob in Zukunft Millionen von Arbeitsplätzen entstehen. Gerade die Modernisierung der Landwirtschaft kann beschäftigungsintensives Wachstum induzieren und die Nahrungsmittelversorgung verbessern helfen.

Verknüpfung ausländischer Direktinvestitionen mit lokalem Unternehmertum.

Die wirtschaftliche Entwicklung Afrikas kann durch ausländische Direktinvestitionen (ADI) gefördert werden. Investitionen in die Landwirtschaft und die verarbeitende Industrie, aber auch in den Dienstleistungssektor können zu qualifizierten Arbeitsplätzen, Technologie- und Wissenstransfer beitragen und so die Produktivität Afrikas steigern. Afrikanische große und mittlere Unternehmen entwickeln sich – allerdings nur langsam, so dass sie kaum in der Lage sind, die Transformation des Kontinents aus eigener Kraft voranzutreiben. ADI können Skalen- und Spezialisierungseffekte generieren. Die entscheidenden Veränderungen müssen sich jedoch innerhalb Afrikas vollziehen. Das hat damit zu tun, dass die Beiträge von ADI zur Verringerung von Armut und hoher Jugendarbeitslosigkeit bestenfalls gering sind. Beispielsweise sind durch alle ADI in den letzten zehn Jahren durchschnittlich nur 100.000 neue Arbeitsplätze pro Jahr entstanden. Benötigt werden aber 20 Millionen Arbeitsplätze pro Jahr, um die Arbeitslosigkeit unter Jugendlichen abzufedern. Diese müssen größtenteils von lokalen Unternehmen und Landwirten geschaffen werden. Europäische Maßnahmen können helfen, ebenso wie beschäftigungsintensive ADI.

Die CSA betont die Bedeutung der KMU, gibt aber keinen Hinweis darauf, wie sie florieren können. Es fehlt auch ein Konzept zur Verknüpfung von ADI mit Unternehmen in Industrieclustern und Sonderwirtschaftszonen. Wie der Compact with Africa (CwA) konzentriert sich der CSA auf das Geschäftsumfeld und die Subventionen für ADI, aber wie Linkages geschaffen werden können, bleibt unklar. Eine Möglichkeit bestünde darin, Steuererleichterungen und andere Anreize zu gewähren, wenn ADI gezielte Unterverträge mit KMU in Afrika abschließen würden, um Technologietransfer, decent work und Ausbildungsmaßnahmen zu ermöglichen. Ein Programm, an dem auch Forschungseinrichtungen und Universitäten beteiligt sind, könnte dem Wissenstransfer und der Entwicklung von Unternehmern einen Schub geben. So könnte sich eine lokale Industrie entwickeln und lokale und regionale Wertschöpfungsketten in Landwirtschaft und Industrie aufbauen helfen – und zugleich Arbeitsplätze schaffen.

Europa könnte einen nützlichen Beitrag zu diesem Ziel leisten. Eine endogene Entwicklung durch Industrialisierung und die Stärkung des Unternehmertums, die auch Arbeitsplätze schafft, ist nicht nur für die Entwicklung Afrikas nützlich, sondern letztlich auch im Interesse Europas.

Neuorientierung der Handelsbeziehungen

Seit 1997 hat die EU Abkommen mit nordafrikanischen Ländern und fünf Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit regionalen Gruppierungen von Ländern südlich der Sahara geschlossen. Kritiker argumentieren, dass sie den Strukturwandel des Kontinents behindern könnten, indem sie den intraregionalen Handel und die Integration untergraben. Eine Senkung der Zölle auf EU-Importe auf afrikanischen Märkten wird den Prognosen zufolge den Handel der Region zu Gunsten europäischer Produzenten und weg von lokalen Lieferanten umlenken. Da die Freihandelsabkommen der EU mit regionalen Blöcken und nicht mit dem Kontinent als Ganzem ausgehandelt wurden, haben sie die Heterogenität der Liberalisierungsverpflichtungen der afrikanischen Länder verstärkt. Die begrenzten erwarteten Vorteile von Freihandelsabkommen erklären, warum viele afrikanische Länder, insbesondere Länder mit niedrigem Einkommen, sich geweigert haben, ihnen beizutreten.

Die EU sollte dazu beitragen, das ordnungspolitische Umfeld für afrikanische Produzenten und Exporteure zu verbessern. Obwohl die EU im Rahmen der Resolution „Alles außer Waffen“ (Everything but Arms) den Zugang zu den europäischen Märkten erleichtert hat, gibt es immer noch zahlreiche von der EU auferlegte Beschränkungen. Nicht-tarifäre Handelshemmnisse schränken Afrikas Exportmöglichkeiten ein. Die EU-Ursprungsregeln werden weithin kritisiert, weil sie zu komplex und restriktiv sind, insbesondere die Vorschriften über den inländischen Mindestgehalt und die Kumulierung. Um für Zollsenkungen in Frage zu kommen, muss ein Export aus einem Entwicklungsland einen Inlandsanteil von mindestens 30 Prozent aufweisen. Darüber hinaus können afrikanische Exporteure Vorleistungen aus anderen Ländern nicht ohne weiteres „kumulieren“. Es gibt Anzeichen dafür, dass diese Beschränkungen die Nutzung von Zollpräferenzen durch afrikanische Exporteure eingeschränkt und möglicherweise auch die regionalen Wertschöpfungsketten behindert haben.

In welchem Umfang sollte der CSA durch Handelsmaßnahmen ergänzt werden? In Anbetracht der oben beschriebenen Entwicklungen ist es sinnvoll, sich auf die folgenden Aspekte zu konzentrieren:

– Die EU sollte ihre verbleibenden Zölle auf Importe aus Afrika weiter liberalisieren und die Wirkung dieser Präferenzen durch eine Reform der Ursprungsregeln verbessern. Die EU-Kommission sollte darauf hinarbeiten, allen afrikanischen Ländern zollfreien Zugang zu den EU-Märkten zu gewähren.

– Die EU sollte auch ihre Ursprungsregeln im Einklang mit der WTO-Ministererklärung für die am wenigsten entwickelten Länder reformieren. Dies würde eine Senkung der Mindestanforderungen an den Inlandsanteil von 30 auf 25 Prozent und die Einführung einer erweiterten Kumulierung beinhalten. Zumindest sollte die EU den Exporteuren afrikanischer Länder erlauben, Vorleistungen aus anderen Ländern der Region zu kumulieren.

– Unterstützung der AfCFTA, Fachwissen, Kapazitätsaufbau, Unterstützung von Infrastrukturmaßnahmen, Zoll usw.

Schulden und CFA-Zone

Notwendig wäre auch die Entwicklung einer gemeinsamen Strategie Europas und Afrikas zur Schuldenminderung für zahlreiche afrikanische Staaten. Noch hadert Europa, sich zur afrikanischen Schuldenkrise zu positionieren.[6] Die EU müsste in der Tat ein großes Interesse daran haben, dass afrikanische Länder nicht erneut in eine Schuldenfalle geraten.

Ein sehr wichtiger Streitpunkt, der von afrikanischen Staaten und Experten in den letzten Jahren besonders betont wurde, ist die Umwandlung der kolonial geprägten CFA-Zone[7]. Im Mittelpunkt der Kritik steht die Regelung, dass mindestens 50 Prozent der Währungsreserven bei der französischen Notenbank hinterlegt sein müssen. Die Länder des CFA-Franc sind somit an den Euro und an die Währungsschwankungen gekoppelt. Zugleich besitzen die CFA-Länder eine stabile Währung. Frankreich garantiert die Umtauschbarkeit des CFA in jede andere Währung. Da der CFA aber an den Euro gekoppelt ist, wäre hier auch ein neuer afrikanisch-europäischer Ansatz erforderlich. Die EU-Kommission sollte sich dieser Frage annehmen und mit den afrikanischen Ländern nach einer europäisch-afrikanischen Lösung suchen.

Resümee: Auf dem Weg zu einer neuen Partnerschaft zwischen Afrika und Europa

Afrikanische Länder befinden sich nicht mehr in einer postkolonialen Phase. Sie haben Industrialisierungs- und Agrarstrategien entwickelt. Auch wenn ihr Entwicklungsprozess nicht geradlinig verläuft und es immer wieder Herausforderungen gibt, gibt es Fortschritte. Die Globalisierung hat dem afrikanischen Kontinent die Möglichkeit gegeben, in der internationalen Arbeitsteilung eine Rolle zu spielen. Doch die Konzepte der reinen Weltmarktintegration haben nicht den erwarteten Erfolg gebracht. Armut und Arbeitslosigkeit sind weit verbreitet. Die Klimakatastrophe und die Corona-Pandemie treffen Afrika besonders hart, obwohl die Ursachen zumindest für den ersten Fall vor allem in den USA, der EU und China mit ihren nicht-nachhaltigen Wirtschaftsmodellen liegen.

Ein wohlhabender Kontinent liegt im Interesse der EU. Die künftige Zusammenarbeit beruht auf den jeweiligen Interessen und sollte daher fair, gleichberechtigt, solidarisch, umweltfreundlich und zivil sein. Ziel sollte es sein, die asymmetrischen Abhängigkeiten und Machtverhältnisse zu verringern.

Die deutsche Präsidentschaft kann die zweite Hälfte des Jahres 2020 nutzen, um Afrika tatsächlich auf die Agenda der EU zu setzen und dazu beitragen, die CSA zu einem Instrument der strategischen Kooperation Europas mit Afrika auszubauen. Von einer „Strategischen Partnerschaft“ mit Afrika kann derzeit keine Rede sein, und auch die jetzt dargelegten Ansätze bringen keinen wesentlichen Unterschied. Eine Strategische Partnerschaft, die den Namen verdient – wie etwa zwischen der EU und China – akzeptiert die Widersprüchlichkeit vieler Interessen, reibt sich in einem harten Dialog mit dem Partner und findet dann doch Lösungen, auf die sich beide Seiten einigen können. Dann stimmt auch die Metapher von „Partnerschaft auf Augenhöhe“.

Es wäre ein großer Schritt nach vorn, wenn wir am Ende des Tages in Europa und Afrika sagen könnten, dass wir aus den bisherigen Erfahrungen der Zusammenarbeit einige Lehren gezogen haben und dass wir Sprünge machen. Wir brauchen einen Sturm – für eine strategische Zusammenarbeit, die das überholte postkoloniale Modell ablöst. Es liegt im eigenen Interesse Europas und Afrikas, nicht an denselben alten Ansätzen festzuhalten.

Literatur:

Robert Kappel (2020), Africa-Europe Economic Cooperation. Using the Opportunities for Reorientation, Berlin: FES, 2020. Download: https://www.fes.de/en/shaping-a-just-world/peace-and-security/article-i…

Robert Kappel und Helmut Reisen (2019), G20 Compact with Africa: The Audacity of Hope“, Berlin: FES. https://www.fes.de/themenportal-die-welt-gerecht-gestalten/frieden-und-…

Fußnoten

[1] https://www.europarl.europa.eu/legislative-train/theme-international-tr…

[2] Siehe https://www.consilium.europa.eu/de/policies/cotonou-agreement/

[3] Siehe https://ec.europa.eu/knowledge4policy/publication/joint-africa-eu-strat…

[4] Siehe https://au.int/en/agenda2063/overview

[5] https://au.int/en/cfta

[6] Vgl. Jonas Gerding (2020), Afrika in der Schuldenfalle? Das Blame Game der USA gegen China, in Blätter für deutsche und internationale Politik, März 2020. https://www.blaetter.de/ausgabe/2020/maerz/afrika-in-der-schuldenfalle; vgl. Jürgen Kaiser (2019), 20 Jahre nach der SchuldenerlassInitiative des Kölner G8-Gipfels, Berlin: FES.

[7] Vgl. zur Kritk am CFA-Regime Ndongo Samba Sylla und Fanny Pigeaud (2019), The Last Colonial Currency: A History of the Franc CFA, London; Kai Koddenbrock (2020), Hierarchical Multiplicity in the International Monetary System: from the Slave Trade to the Franc CFA in West Africa, in Globalizations, 17:3, 516-531.