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Beitrag vom 17.08.2022

WAHLEN IN KENIA

Kein Spross der Dynastien

William Ruto hat die Präsidentschaftswahl in Kenia gewonnen. Über den Sieg wird aber noch heftig gerungen. Ein Porträt

Von Claudia Bröll

Als Jugendlicher soll er auf den Straßen von Nairobi Hühnchen und Nüsse verkauft haben. Heute ist William Ruto der Vizepräsident Kenias und wohl der nächste Präsident des Landes. Nach einer turbulenten Bekanntgabe der Unabhängigen Wahlkommission hat er mit knapp mehr als 50 Prozent der Stimmen vor Oppositionsveteran Raila Odinga gewonnen.

Die Geschichte seines Aufstiegs aus der Armut ist der Aufhänger seines Wahlkampfs gewesen. „Hustler gegen Dynastien“ war das Motto, die Schubkarre das wirkungsvolle Symbol. „Hustler“ sind hart arbeitende arme Menschen. „Dynastien“ spielte auf die Odinga- und die Kenyatta-Familien an, die seit der Unabhängigkeit Kenias das politische Geschehen mitbestimmen. Für seine Anhänger ist Ruto, ein promovierter Botaniker, ein Vorbild und Hoffnungsträger. Viele erwarten von dem 55 Jahre alten Politiker mehr Reformwillen als von seinem 22 Jahre älteren Mitbewerber. Er hat im Wahlkampf eine staatlich subventionierte Krankenversicherung versprochen sowie Kredite für Kleinunternehmer. Kritiker hingegen bezweifeln, dass es bei dem Aufstieg zum reichen Geschäftsmann, Großgrundbesitzer und einem der größten Maisfarmer immer mit rechten Dingen zugegangen ist. Über die Jahre hinweg tauchte sein Name in mehreren Skandalen auf. Es gab Vorwürfe von Korruption und unrechtmäßigem Erwerb von Grund und Boden.

Obwohl sich Ruto als Gegner der Dynastien präsentiert, haben ihm Verbindungen mit den Mächtigen geholfen. Dank seiner Aktivitäten als Student in Kirchengruppen traf er den damaligen Präsidenten Daniel Arap Moi. Nach der Wahl 2007 unterstützte er seinen jetzigen Rivalen Odinga. 2013 wechselte er die Seiten und zog mit dem heutigen Präsidenten Uhuru Kenyatta ins Rennen. Nach dessen Wahlsieg wurde er Vizepräsident. Auch eine Anklage vor dem Internationalen Strafgerichtshof hat die Karriere nicht gebremst. Ruto wurde der Anstachelung zur Gewalt nach der Wahl 2007 beschuldigt. Mehr als 1200 Menschen waren damals bei Unruhen ums Leben gekommen. Am Ende wurde die Klage aus Mangel an Beweisen fallen gelassen.

Das Kopf-an-Kopf-Rennen mit Odinga hat viele überrascht, denn der Vizepräsident hatte nicht mehr die Unterstützung des Präsidenten. Stattdessen hatten sich Kenyatta und Odinga verbündet. Wann und ob der „Hustler“ zum fünften Präsidenten vereidigt wird, ist offen. Der unterlegene Odinga will das Wahlergebnis anfechten. Ist er nicht erfolgreich, könnte dies nach fast 60 Jahren das Ende der politischen Dynastien in Kenia sein. Bleibt nur zu hoffen, dass die echten „Hustler“ davon profitieren.