Beitrag vom 28.08.2023
NZZ
Die Wahl in Simbabwe grenzt an eine Farce
Präsident Emmerson Mnangagwa zum Sieger erklärt
Samuel Misteli
Simbabwes Präsident Emmerson Mnangagwa, ein 80-jähriger früherer Guerillakämpfer, der den Spitznamen «das Krokodil» trägt, bleibt im Amt. Laut der Wahlkommission hat er 52,6 Prozent der Stimmen gewonnen. Sein Herausforderer Nelson Chamisa kam auf 44 Prozent. Die Regierung hatte alle ihr zur Verfügung stehenden Hebel bedient, um der Opposition die Chancen auf den Sieg zu rauben. Eine faire Wahl würde Mnangagwas Partei Zanu-PF, die Simbabwe seit der Unabhängigkeit von Grossbritannien 1980 regiert, vermutlich verlieren.
Seit 2017 regiert «das Krokodil» in Simbabwe. Damals wurde der Diktator Robert Mugabe nach fast vierzig Jahren gestürzt durch einen Putsch, an dem Mnangagwa beteiligt war. Dieser war zuvor Vizepräsident und ein Vertrauter von Mugabe gewesen. Er wird nun weitere fünf Jahre regieren – es sei denn, die Opposition ist mit den bereits angekündigten juristischen Beschwerden erfolgreich.
Wahlzettel treffen verspätet ein
Die Regierungspartei Zanu-PF wendete bei der Wahl am Mittwoch ein breites Repertoire an Mitteln an, um die Stimmen für die Opposition zu unterdrücken. Viele der Taktiken waren schon unter Diktator Mugabe angewendet worden. Vor der Wahl verboten die Behörden mehr als hundert Kundgebungen der Opposition. Oppositionelle Kandidaten sahen sich mit Gerichtseingaben konfrontiert, die behaupteten, sie hätten ihre Kandidaturen zu spät angemeldet. Am Wahltag selbst kursierten gefälschte Flugblätter, in denen die Opposition angeblich dazu aufrief, nicht wählen zu gehen. Manche Wahllokale öffneten mit mehr als zehn Stunden Verspätung, weil die Wahlzettel nicht rechtzeitig eintrafen. Betroffen waren vor allem städtische Gebiete, in denen die Opposition am stärksten ist.
Zanu-PF-Parteigänger richteten vor Wahllokalen zudem Stände ein, an denen sie Wählerinnen und Wähler abfingen und sie nach Personalien und Wahlabsicht fragten. Nach der Wahl verhaftete die Polizei Dutzende Mitglieder einer Wahlbeobachtungsorganisation. Bereits vor dem Wahltag hatten die Behörden einige ausländische Wahlbeobachter aus dem Land gewiesen.
Internationale Missionen, die am Wahltag im Land sein konnten, kritisierten das Prozedere. Die Beobachter der EU zum Beispiel beklagten «Gewalt und Einschüchterung, die zu einem Klima der Angst führten».
Exodus der Gebildeten
Wegen des fragwürdigen Wahlverlaufs dürfte es Simbabwes Regierung schwer haben, international neue Akzeptanz zu finden. Westliche Länder verlangen mehr Demokratie und Respekt für Menschenrechte als Gegenleistung dafür, Simbabwe dabei zu unterstützen, 18 Milliarden Dollar Schulden zu bewältigen. Die Wirtschaftslage in dem 16-Millionen-Einwohner-Land ist katastrophal – wofür Mnangagwa und sein Vorgänger Mugabe hauptsächlich verantwortlich sind. In den letzten zwei Jahrzehnten sind Preise und Arbeitslosigkeit hochgeschossen, das reale Bruttoinlandprodukt pro Kopf ist niedriger als zum Zeitpunkt der Unabhängigkeit 1980. Gebildete Simbabwerinnen und Simbabwer verlassen das Land in Scharen.
Mnangagwas Regierung gilt als hochgradig korrupt. Eine Recherche von al-Jazeera zeigte im März auf, wie enge Vertraute und Familienangehörige von Mnangagwa vom Goldschmuggel nach Dubai profitieren. In einer Erhebung, die das panafrikanische Meinungsforschungsinstitut Afrobarometer vor der Wahl veröffentlichte, gaben 72 Prozent der befragten Simbabwerinnen und Simbabwer an, ihr Land bewege sich in die falsche Richtung.