Beitrag vom 20.05.2024
Der Standard (Wien)
Gescheiterter Putsch-Versuch im Kongo bringt USA in Erklärungsnot
Die kongolesische Armee verkündet die Verhaftung dreier Amerikaner. Eine offizielle Beteiligung der USA erscheint unwahrscheinlich, die anti-westliche Stimmung wird aber befeuert
Christian Putsch
Im Kongo hat der zuletzt in den USA lebende Oppositionspolitiker Christian Malanga einen amateurhaften Putsch-Versuch mit dem Leben bezahlt. Mit gerade einmal einigen Dutzend Mitstreitern hatte Malanga in der Nacht zum Sonntag versucht, den Regierungssitz von Präsident Felix Tshisekedi zu stürmen – live übertragen auf Facebook.
Doch der Palast war weitgehend leer. Die lediglich mit Maschinengewehren bewaffneten Männer riefen in den leeren Katakomben ihre Parolen („Felix, wir werden dich holen“), wurden aber nach etwa zwei Stunden von der kongolesischen Armee überwältigt. Auch ein Angriff auf das Haus von einem Vertrauten von Tshisekedi, war erfolglos, er blieb wie auch der Präsident unverletzt.
Der Putschversuch forderte sechs Tote.
Zwei Polizisten und vier Angreifer wurden dagegen getötet. Das gleiche Schicksal ereilte danach Malanga. Er sei "neutralisiert" worden, als er sich seiner Verhaftung widersetzt habe, teilte ein Armeesprecher im Staatsfernsehen mit. Insgesamt seien 50 Putschisten inhaftiert worden, darunter drei amerikanische Staatsbürger. Es handelt sich unter anderem um Malangas Geschäftspartner Benjamin Zalman-Polun, 36, mit dem er offenbar in Mosambik im Bergbau und im Cannabis-Anbau aktiv war. Unter den Gefangenen ist auch Malangas Sohn Marcel, 21, der ebenfalls US-Staatsbürger ist. Die Identität des dritten Amerikaners ist bislang unklar.
Gerüchte um CIA
In den sozialen Medien verbreitete sich schnell das Gerücht, die CIA habe ihre Finger im Spiel – trotz mangelnder Hinweise ein wenig überraschender Reflex, schließlich unterstützten die Amerikaner im Jahr 1961 kongolesische Separatisten und damit zumindest indirekt auch die Ermordung des ersten Premierministers Patrick Lumumba, der bis heute im Kongo als Nationalheld verehrt wird.
Eilig teilte die US-Botschafterin in Kinshasa, Lucy Tamlyn, auf "X" ihre "Besorgnis" angesichts der Berichte einer Beteiligung US-amerikanischer Staatsbürger mit. "Seien Sie versichert, dass wir bei der Untersuchung dieser Straftaten in vollem Umfang mit den Behörden der Demokratischen Republik Kongo zusammenarbeiten und jeden an Straftaten beteiligten US-Bürger zur Rechenschaft ziehen werden", sagte sie.
Noch sind die Hintergründe des Putsch-Versuchs unklar. Doch an Spekulationen beteiligt sich auch so mancher europäische Politiker. So etwa Jean-Luc Mélenchon, ehemaliger Abgeordneter und Vorsitzender einer linkspopulistischen Partei in Frankreich "Volle Unterstützung für die Institutionen der Demokratischen Republik Kongo und Präsident Tshisekedi, die einen Putschversuch ausländischer Agenten, die mit Ruanda und seinen Verbündeten verbunden sind, besiegt haben", schrieb Mélenchon auf "X".
Ruanda wird von der kongolesischen Regierung vorgeworfen, die M23-Miliz im Ostkongo in ihrem Kampf gegen Kongos Armee zu unterstützen – eine Anschuldigung, die Kigali nicht dementiert. Öffentlich ist die Rede von der Verteidigung des eigenen Staatsgebietes gegen Hutu-Kämpfer, deren Anführer nach dem Genozid von 1994 in den Kongo geflohen seien.
Doch belegt ist auch, dass Ruanda seit Jahrzehnten an der illegalen Rohstoffförderung im Nachbarland mitverdient. Kongos eigentlich pro-westlich orientierter Präsident Tshisekdi wirft Europa und den USA vor, zu wenig Druck auf das geopolitisch verbündete Ruanda auszuüben.
Russische Desinformationskampagnen
Malanga ist eine obskure Gestalt der kongolesischen Diaspora, er ließ sich schon im Jahr 2016 dabei filmen, wie er Umsturzpläne gegen den damaligen Präsidenten Kabila schmiedete. Es gab, gelinde gesagt, schon Putschisten mit soliderer Reputation als den windigen Geschäftsmann, der womöglich schlicht irre Machtfantasien auslebte.
Doch überraschend ist der Fokus der Kongolesen auf die verhafteten Amerikaner nicht, zumal sich Malanga immer wieder mit amerikanischen Abgeordneten hatte ablichten lassen, denen gegenüber er sich als vermeintlicher Türöffner für Subsahara-Afrika inszenierte. Die Wut im Kongo wegen des westlichen Schweigens zu Ruanda wird zudem angestachelt von Desinformationskampagnen Russlands, das den rohstoffreichen Kongo zuletzt als eines der wichtigsten afrikanischen Ziele identifiziert hat.
Die Intensität der anti-französischen Stimmung, mit denen die Generäle in den einst von Paris kontrollierten Sahelstaaten ihre Umstürze zu rechtfertigen versuchen, gibt es in der ehemaligen belgischen Kolonie Kongo natürlich nicht. Doch im März 2023 gab es Demonstrationen vor einem Besuch des französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Und in den vergangenen Monaten gab es immer wieder Proteste vor westlichen Botschaften. Dabei wurden neben belgischen auch immer wieder amerikanische Flaggen verbrannt.