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Für eine andere Entwicklungspolitik!

Die Pleitegeier aus Maputo

Mosambik
FAZ Gerd Müller in Moçambique/Von Thilo Thielke KAPSTADT, 24. August. Wenn Entwicklungshilfeminister Gerd Müller am Sonntag in der moçambiquanischen Hauptstadt Maputo zu Gast ist, dürfte sich die Zahl anwesender Berichterstatter in Grenzen halten. Denn die Regierung von der Moçambique-Befreiungsfront (Frelimo) weiß auch 38 Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges noch, wie man sich den Klassenfeind vom Leibe hält. Seit Mittwoch müssen ausländische Journalisten, die sich im Land am Indischen Ozean akkreditieren wollen, jährlich 8300 Dollar entrichten, neue Radiostationen sind mit 25000 Dollar dabei und einheimische Reporter mit 3500 Dollar. Wer nur für eine Reportage einreisen möchte, muss 2500 Dollar auf den Tisch legen. „Das wird vielen kleineren Radiostationen und TV-Sendern den Garaus machen“, kritisiert Arnaud Froger von der Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen: „Und es wird auch Medienvertreter aus anderen Ländern davon abhalten, in Zukunft aus Moçambique zu berichten.“ Genauso dürfte die Maßnahme auch gemeint sein. Die Frelimo-Revolutionäre, die nach einem Buschkrieg gegen die portugiesischen Kolonialherren 1975 die Macht im Land übernahmen, schworen zwar irgendwann dem Marxismus-Leninismus ab; die Kontrolle über Staat und Medien geben sie gleichwohl nicht gerne aus der Hand. Auf dem 99. Platz rangiert Moçambique im „World Press Freedom Index“, den Reporter ohne Grenzen jedes Jahr erstellt. Im kommenden Jahr dürfte es nicht nur wegen der hohen Gebühren weiter bergab gehen. Am 27. März wurde der Fernsehjournalist Ericino de Salema, nachdem er das Haus der Journalistengewerkschaft verlassen hatte, von zwei Männern in ein Auto gezerrt und verschleppt. Als man den Bewusstlosen Stunden später neben einer vielbefahrenen Straße fand, wies er Folterspuren und etliche Knochenbrüche auf. In Moçambique bezweifelt kaum jemand, dass die Regierung hinter dem Angriff steckt. Salema gilt als Kritiker von Staatspräsident Filipe Nyusi und dessen Clique. Zuvor hatte es Morddrohungen gegen Aunício da Silva, den Chefredakteur der Wochenzeitung „Ikweli“, und den Direktor des Kirchenradios Encontre im nordmoçambiquanischen Nampula gegeben, nachdem sein Sender auf Unregelmäßigkeiten bei den Regionalwahlen hingewiesen hatte. Es ist gut möglich, dass die Übergriffe gegen Journalisten am Sonntag zur Sprache kommen. Zunächst war ein Gespräch zwischen Müller und dem Präsidenten geplant. Der hat aber offenbar abgesagt. Immerhin soll es nun zu einem Treffen mit Ministerpräsident Carlos Agostinho do Rosario kommen, zudem will Müller Vertreter der Opposition treffen. Deutschlands oberster Entwicklungshelfer dürfte gute Argumente haben, auf eine Verbesserung der Lage zu dringen: 2016 und 2017 erhielt die moçambiquanische Regierung fast 90 Millionen Euro aus Deutschland. Und das, obwohl Moçambique bei den Korruptionsbekämpfern von Transparency International auf dem 153. Platz von 180 Ländern liegt: „Korruption ist ein Hauptgrund für die Malaise und hat das Land Schätzungen zufolge zwischen 2002 und 2014 fast fünf Milliarden Dollar gekostet“, heißt es bei der Organisation. Mittlerweile steht das Land trotz seines Reichtums an Bodenschätzen kurz vor dem wirtschaftlichen Kollaps. 2016 ist bekanntgeworden, dass die Regierung rund 2,3 Milliarden Dollar veruntreut hat. Das unter anderem von der Credit Suisse und der russischen VTB-Bank geliehene Geld war an halbstaatliche Firmen ausgezahlt worden, um davon eine Fischfangflotte, maritime Rüstungsgüter und Polizeiausrüstung zu erwerben. Nichts davon wurde angeschafft. Das Geld verschwand in den Taschen korrupter Politiker, die den Internationalen Währungsfonds (IWF) jahrelang über die Staatsschulden belogen hatten. Seit 2017 gilt Moçambique als praktisch zahlungsunfähig und bekommt kaum noch internationale Kredite. Nur der IWF zahlt noch gelegentlich Hilfskredite. Filipe Nyusi spekuliert nun auf einen Schuldenschnitt. Die Forderung ist nicht neu. Moçambique wurden schon mehrmals die Schulden erlassen – mit dem Resultat, dass die Frelimo-Regierung danach wieder neues Geld aufnahm, bis es zur nächsten Krise kam. Eine andere Hoffnung sind Erdgasfunde im Norden: 180 Millionen Kubikmeter sollen vor der Küste liegen. Allerdings wüten im Grenzgebiet zu Tansania islamistische Terroristen. Noch hat die Erdgasförderung gar nicht begonnen. Wie sich die Regierung in der Zwischenzeit über Wasser hält, kann man in einem Bericht der „Globalen Initiative gegen transnationale organisierte Kriminalität“ nachlesen, der sich mit dem Drogenhandel in Ostafrika beschäftigt. Eine der Haupteinnahmequellen Moçambiques ist demnach mittlerweile der Heroinhandel. Nach Schätzungen der Autoren des unter anderem von Interpol finanzierten Drogenberichts „Die Heroinküste“ verdient das Land mit Heroin 600 bis 800 Millionen Dollar im Jahr, das entspricht ungefähr der Summe, die das Hauptexportgut Kohle einbringt. „In keinem ostafrikanischen Land ist die Regierung so stark in das Drogengeschäft involviert wie in Moçambique“, schreibt der Autor, Peter Gastrow. Nach Recherchen des britischen Moçambique-Experten Joseph Hanlon, der von Gastrow befragt wurde, hatte der ehemalige Staatspräsident Joaquim Chissano, der das Land von 1986 bis 2005 regierte, zu seiner Zeit als Frelimos Sicherheitschef das Drogennetz aufgebaut. Mittlerweile existiert laut Gastrow „ein Elite-Pakt zwischen Händlern und Frelimo-Leuten, der bis in die obersten Kreise reicht“. So sei einer der obersten Drogenbarone des Landes Frelimos „ausgewiesener Wirtschaftsvertreter“ Momade Rassul Abdul Rahim. Gastrow schreibt: „Er kann sich auf Protektion von höchster Stelle verlassen.“ Das Land sei korrupt bis ins Mark.