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Für eine andere Entwicklungspolitik!

Beitrag vom 30.10.2012

Neue Zürcher Zeitung

Handelsbarrieren

Wie sich Afrika selbst helfen kann

Laut einer Weltbank-Studie verhindern Handelsbarrieren, dass afrikanische Bauern so produktiv sind wie ihresgleichen in anderen Entwicklungsländern.

cei. Mit «Der hoffnungslose Kontinent» hatte der «Economist» im Jahr 2000 ein Heft überschrieben. Gemeint war damit Afrika. Seither hat sich die Lage indes stark verbessert. So dürften die Volkswirtschaften südlich der Sahara im laufenden und nächsten Jahr mit 5% bis 6% wachsen. Doch in der Landwirtschaft liegt das Potenzial noch weitgehend brach. Dabei könnte sich Afrika laut einer Weltbank-Studie selbst mit Grundnahrungsmitteln versorgen - doch stehen sich die Länder oft selbst im Weg: Bürokratische Hürden und Handelsbarrieren demotivieren die Bauern und verteuern die Nahrungsmittel für die Konsumenten.

Autarkie als falsches Ziel

Die Weltbank schreibt, es sei schockierend, dass Afrika immer mehr Nahrungsmittel importiere, während etwa Asien und Südamerika in den letzten 20 Jahren grosse Produktivitätsfortschritte gemacht hätten (vgl. Grafik). Nur 5% der Getreidemenge, die jährlich von afrikanischen Ländern eingeführt werde, stammten aus anderen Ländern des Kontinents. Gleichzeitig wird in der Studie auf 400 Mio. ha anbaufähigen Landes - dies entspricht der Hälfte der Fläche Australiens - verwiesen, das sich quer über den afrikanischen Kontinent erstreckt und nur zu 10% kultiviert wird.

Das Klima kann sich von Land zu Land beträchtlich unterscheiden: Wenn in einem Land die Ernte schlecht ausfällt, mag sie deshalb in einem anderen gut sein. Bei offenen Grenzen können die Folgen von Missernten gemildert werden. Dies lässt sich am Beispiel Sambia illustrieren. Eine Zunahme der Maisernte um 30% gegenüber einer Normalernte senkt dort bei geschlossenen Grenzen den Maispreis um 50%. Wenn die Politiker dagegen den Export ins benachbarte Kongo-Kinshasa zulassen, geht der Preis gemäss den Schätzungen noch um 26% zurück. Im umgekehrten Fall einer Missernte mit einem Produktionsausfall von 30% klettert der Preis ohne Handel um 150%, bei offenen Grenzen noch um 36%. Wegen zahlreicher Markteingriffe unterliegt nun der Maispreis in Afrika grösseren Schwankungen als auf dem Weltmarkt. Nationale Autarkiebestrebungen hätten die Preisausschläge nicht verringert, sondern die Situation noch verschärft, kritisiert denn auch die Weltbank.

Teure Sondernormen

Manchmal sorgen bereits unterschiedliche Normen für Zusatzkosten. So sind in Kenya und in Tansania Maissäcke zu 90 kg Standard, während in Malawi und Sambia 50-kg-Säcke Usus sind. Das Umladen an der Grenze in neue Säcke ist entsprechend zeitraubend und kostspielig. Laut einer zitierten Studie erhöhen allein die mangelnde Harmonisierung und willkürliche Durchsetzung von gesundheitspolizeilichen Standards die Preise für Grundnahrungsmittel um 15%. Importbeschränkungen addieren noch einmal 20%. Dazu kommen oft weitere Schikanen. In Afrika sind die Händler - wie die Kleinbauern auch - oft Frauen. Diese haben an den Grenzen nicht nur Bestechungsgelder zu zahlen, sondern sie werden gemäss einer Umfrage auch oft Opfer von Tätlichkeiten und sexuellen Übergriffen.

In Tansania sind zudem Ursprungsbescheinigungen und Handelsbewilligungen nur persönlich in der Regierungsstadt Dar es Salaam erhältlich. Überraschen mag, dass die mangelnde Erschliessung mit Strassen im Bericht nicht mehr als Hauptproblem gesehen wird. Vielmehr verteuert sich der Transport zum Beispiel durch Strassensperren. Auf einer 90 km langen Strasse, die in Kenyas Hauptstadt Nairobi hineinführt, wurden 19 Checkpoints gezählt. Dabei muss nicht nur Schmiergeld bezahlt werden, vielmehr dauert das Passieren jeder Sperre rund 10 Minuten, so dass ein Camion alleine dadurch drei Stunden länger als nötig unterwegs ist.

Die Produktivität von Afrikas Landwirtschaft liegt unter derjenigen anderer Entwicklungs- und Schwellenländer, weil oft nicht das neuste Saatgut erhältlich ist. Würden in Äthiopien verbesserte Hybrid-Maissorten angepflanzt, liesse sich die Produktivität laut Weltbank vervierfachen. Doch im Bericht wird ein Händler beschrieben, der mit einer Ladung Saatgut wegen unzähliger Zollformalitäten zwölf Monate an der äthiopischen Grenze feststeckte.

Dazu kommt, dass afrikanische Bauern nur einen Zehntel so viel Dünger einsetzen wie im Weltdurchschnitt. Auch hier sorgen Handelsbarrieren dafür, dass die Preise zum Teil enorm hoch sind. In Burundi etwa kostet Dünger pro Tonne 2700 $. Dagegen bezahlt man in Indien, Brasilien oder Argentinien 250 $ bis 500 $ pro Tonne. Oft mischt sich der Staat in die Beschaffung ein. So verteuert in Mali die Ineffizienz einer staatlichen Handelsfirma den Dünger um 50% verglichen mit einer Situation, in der Produzentenorganisationen direkt mit den Lieferanten die Konditionen aushandeln können.