Beitrag vom 19.01.2014
Stuttgarter Zeitung
Mickeymaus in Afrika
Diktator plant ein Disneyland
Johannes Dieterich
Simbabwe - Wenn einem das Wasser bis zum Hals steht, sollte man nicht auch noch Wellen schlagen, Simbabwes Regierung scheint diese Weisheit fremd zu sein: Die Führung des zerrütteten afrikanischen Staats sucht jetzt mit ganz besonders ehrgeizigen Plänen von ihrer selbst verschuldeten Pleite abzulenken. Die Truppe um den fast 90-jährigen Dauerpräsidenten Robert Mugabe will neben einem der spektakulärsten Naturwunder der Welt - den 108 Meter hohen und 885 Meter breiten Viktoria-Wasserfällen - ein "Disneyland" errichten. Das gab der Tourismusminister Walter Mzembi kürzlich bekannt.
Ein Unterfangen, das gleich in mehrfacher Hinsicht überrascht. Erstens stammt die Idee der hochkommerziellen Vergnügungsparks aus einer Welt, die dem knorrigen Befreiungsführer genauso fremd wie verhasst ist: Robert Mugabe pflegt den USA bei jeder sich bietenden Gelegenheit Arroganz und kapitalistischen Imperialismus vorzuwerfen. Der Fäuste schwingende Partei- und Staatschef gab schon vor Jahren einen Paradigmenwechsel seiner Politik bekannt: Statt wie alle Welt immer nur nach Westen solle Simbabwe bei der Suche nach Freunden künftig nach Osten - in Richtung China - schauen.
Mugabe orientiert sich an China
Womöglich hat Mugabe allerdings ausgerechnet dort die Vorlage für seinen ehrgeizigen Traum entdeckt. Wenn 2015 neben Hongkong noch das Disneyland Shanghai eröffnet, befinden sich zwei der dann fünf Niederlassungen des US-Unterhaltungskonzerns in China. Dennoch gibt der Plan der Regierung in Harare Rätsel auf. Sein afrikanisches Disneyland will sich der bankrotte Staat mehr als 300 Millionen Dollar kosten lassen: Fast zehn Prozent des gesamten Etats, der in diesem Jahr - wenn alles nach Plan geht - lediglich vier Milliarden Dollar umfasst. Mugabe wird sich entscheiden müssen, ob er ÂAchterbahnen, Riesenräder und Wasserrutschen bestellt oder ausnahmsweise seine Lehrer bezahlt. Er könnte die Finanzierung des Vergnügungsparks ja dem privaten Sektor überlassen. Doch diesen Sektor hat der seit 33 Jahren regierende Tyrann mit der Vorschrift verprellt, dass internationale Unternehmen 51 Prozent der Anteile ihrer simbabwischen Niederlassungen in einheimische Hände legen müssen.
Ein atemberaubend schönes Land
Mugabes Kabinett lässt sich von solch kleinkarierten Einwänden allerdings nicht beirren. Die gigantischen Wasserfälle seien ein "schlafender Riese", ist Minister Mzembi überzeugt, das einzigartige Naturschauspiel werde weit unter Wert verkauft. Damit hat der Politiker zweifellos recht: Der gesamte Tourismussektor des atemberaubend schönen Landes, der einst jährlich 1,4 Millionen Besucher anzog liegt heute am Boden - hingestreckt von Mugabes Starrsinn, der die Opposition gegen sein Regime seit 14 Jahren mit üblen Tricks und Gewalt bekämpft.
Unterdessen schrumpfte die Belegung der Hotelbetten auf 20 Prozent zusammen, Lufthansa, British Airways oder Qantas stellten ihre Flüge ein, der Fremdenverkehr brach ein. Seit sich der Unruhestaat wieder etwas beruhigt hat, wagen sich wieder mehr Touristen ins Land. Doch außer mit Prestigeprojekten Wellen zu schlagen, tut Harare wenig. Im vergangenen Jahr töteten Wilderer im Hwange, dem größten Nationalpark des Landes, mehrere Hundert Elefanten mit Zyanid. Es gebe zu wenige und zu schlecht ausgerüstete Wildhüter, um solche Massaker zu vermeiden, erklärten Experten. Gewiss würde Harare besser daran tun, die 300 Millionen Dollar für den Schutz seiner bedrohten Natur statt für Vergnügungsparks auszugeben, die auf den Gräbern von Elefanten stehen.