Beitrag vom 12.06.2019
FAZ
Südafrikaner empört über „Sause“
Land reist mit großer Entourage zur Konferenz nach Genf
clb. KAPSTADT, 11. Juni. Südafrikas Staatspräsident, etliche Minister, Gewerkschaftsfunktionäre und Behördenmitarbeiter – auf der am Montag begonnenen 108. Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) in Genf ist die führende afrikanische Volkswirtschaft nicht zu übersehen. Presseberichten zufolge reisten mehr als fünfzig Teilnehmer in die Schweiz, die südafrikanische Delegation sei damit eine der größten, hieß es.
Das stattliche Aufgebot aus dem südlichsten Teil des afrikanischen Kontinents mag auch symbolischen Charakter haben, denn Südafrika war dreißig Jahre lang wegen der Politik der Rassentrennung gebannt, trat der Organisation erst 1994 wieder bei. Auch ist der neu gewählte Staatspräsident Cyril Ramaphosa neben dem schwedischen Premierminister Ko-Vorsitzender der „Globalen Kommission über die Zukunft der Arbeit“ der ILO. Und schließlich will sich Südafrikas politische Elite kurz nach der Parlamentswahl im Mai womöglich auch auf internationalem Parkett mit viel Tamtam präsentieren.
Doch mehr als 10000 Kilometer südlich des Trubels von Genf fragen sich viele, welches Signal eine solche Reise aussendet. Mehrere Millionen Rand koste die „Sause“ die südafrikanischen Steuerzahler, rechnete die Wirtschaftszeitung „Business Day“ aus. Der Arbeitsökonom Michael Bagraim sprach von „einem völligen Wahnsinn und einer Verschwendung von Zeit und Geld“. Der Fachmann hat schon in der Vergangenheit immer wieder darauf hingewiesen, dass nicht Konferenzen und Gipfeltreffen die Arbeitslosigkeit senkten. Viel wichtiger wäre es, endlich in bessere Bildungseinrichtungen zu investieren. Diese Erkenntnis hatte schon der frühere südafrikanische Präsident Nelson Mandela vor 25 Jahren, doch Südafrika liegt in Bildungsstatistiken bis heute auf einem der hinteren Plätze, sogar hinter ärmeren afrikanischen Ländern.
Nach offiziellen Angaben ist die Arbeitslosenquote zuletzt auf mehr als 27 Prozent gestiegen. Unter den Jüngeren hat Schätzungen zufolge fast jeder Zweite keine Arbeit. Die Frustration darüber wächst und wächst, zumal vorrangig die einst unterdrückte schwarze Bevölkerung von Erwerbslosigkeit betroffen ist. Trotz der Wahlversprechen des seit 25 Jahren regierenden Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) ist bisher keine Besserung in Sicht. In der vergangenen Woche gab das Statistikamt des Landes einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um 3,2 Prozent bekannt, das ist der stärkste Rückgang in einem Quartal seit der Weltfinanzkrise des Jahres 2009. Schon gibt es Sorgen, dass die Wirtschaft auch im zweiten Quartal schrumpft, womit sich Südafrika abermals in einer Rezession befände.
Ökonomen sind sich einig: Die schlechte Wirtschaftslage ist vor allem heimischen Faktoren geschuldet. Insbesondere die Folgen der neun Jahre langen, von Korruptionsskandalen gespickten Amtszeit des früheren Staatspräsidenten Jacob Zuma treten immer deutlicher zutage. Der staatliche Energieversorger Eskom beispielsweise ist so heruntergewirtschaftet, dass er nur noch mit Mühe die Stromversorgung garantieren kann.
Der im Mai im Amt bestätigte Staatspräsident Cyril Ramaphosa will nun aufräumen. Er hat angekündigt, die maroden Staatskonzerne zu sanieren und Investoren anzulocken. Vor allem aber will Ramaphosa nicht mehr so verschwenderisch mit dem Geld umgehen wie sein Vorgänger. Doch nur wenige Wochen nach seinem Amtsantritt mehren sich die Zweifel, wie ernst es ihm damit ist. Schon die stolz verkündete Verkleinerung seines Kabinetts entpuppte sich bei genauem Hinsehen als eine nicht ganz so rigorose Verkleinerung.
Da kommen Fernsehbilder eines strahlenden Ramaphosa mit großer Entourage auf einer Konferenz in der Schweiz nicht gut an, zumal einige Teilnehmer wohl schon vorsorglich ein paar Tage früher anreisten. Flüge, Hotels und anderes seien schon vor langer Zeit gebucht worden, beeilte sich ein Beamter zu betonen. „Wenn wir das alles nun stornierten, würde es exorbitante Kosten bedeuten.“
Nun kann man nur hoffen, dass sich einige Erkenntnisse auf der Konferenz auch irgendwann im Alltagsleben der Südafrikaner bemerkbar machen. Die bereiten sich derweil auf ein noch viel pompöseres Stelldichein ihrer politischen Elite ein: die feierliche Eröffnung des Parlaments in zehn Tagen.