Direkt zum Inhalt
Für eine andere Entwicklungspolitik!

Beitrag vom 03.07.2019

NZZ

Fleischkonsum und Konflikte um Weidegründe

Der Fleischkonsum in Afrika nimmt rapide zu. Das Fleisch stammt oft von den Herden nomadischer Viehhirten. Die Konflikte mit Bauern verschärfen sich.

David Signer, Dakar

In Europa geht der Trend Richtung weniger Fleisch. In Afrika ist das anders: Eine Mahlzeit ohne Fleisch gilt nicht als richtiges Essen. Die meisten würden gerne mehr Fleisch konsumieren, wenn sie könnten. Vegetarier gibt es praktisch nicht. Mit dem starken Bevölkerungswachstum und der anschwellenden Mittelklasse steigt auch die Nachfrage nach Fleisch. Ein gutes Beispiel ist Nigeria: In dem Land mit der grössten Wirtschaft des Kontinents und fast 200 Mio. Einwohnern werden jährlich 360 000 Tonnen Rindfleisch konsumiert. Man nimmt an, dass sich der Konsum bis 2050 vervierfacht. Der Viehbestand in Nigeria beträgt 20 Mio. Rinder, 40 Mio. Schafe und 60 Mio. Ziegen. Ein Drittel der geschlachteten Tiere kommt allerdings aus dem Ausland, vor allem aus Mali, Niger, Tschad und Kamerun. Es handelt sich dabei um Vieh von Nomaden. Oft ziehen die Herden Hunderte von Kilometern über Land, bevor sie die grossen Märkte an der Grenze erreichen. Von dort werden die Tiere dann per Lastwagen in Millionenstädte wie Lagos transportiert.

Traditionelle nomadische Viehzucht erfordert zwar wenig Investitionen – die Tiere fressen, was sie finden –, aber sie ist auch wenig produktiv und führt immer häufiger zu Konflikten mit Bauern. Denn während der Trockenzeit wandern die Hirten aus den ariden Sahelgebieten Richtung Süden, wo es mehr Wasser und Wiesen gibt. Wegen Bevölkerungswachstum, Verstädterung und Dürren werden die Weide- und Pflanzflächen jedoch knapp; der Kampf zwischen Sesshaften und Wanderhirten um die Ressourcen spitzt sich zu. In Nigeria haben solche Zusammenstösse in den letzten fünf Jahren 7000 Tote gefordert.

Ein Gesetz sieht seit den sechziger Jahren zwar für Herden reservierte Weidegründe vor; in Wirklichkeit gibt es sie aber kaum. Der Handel mit Vieh, Fleisch und Milch ist ausserdem meist informell, auf den Märkten und in den Schlachthöfen fehlt es oft sogar an fliessendem Wasser und Kühlräumen. Die Produktivität könnte mit wenig Input gesteigert werden, was auch die Konflikte reduzieren würde. In den Budgets vieler afrikanischer Landwirtschaftsministerien figuriert die Viehzucht jedoch kaum.