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Für eine andere Entwicklungspolitik!

Beitrag vom 11.03.2020

Die Welt

Wer Afrika helfen will, muss auch über die Geburtenrate reden

Von Christian Putsch, Afrika-Korrespondent

"Das Problem unzureichender Investitionen Afrikas in Familienplanung wird nur in Nebensätzen angesprochen", kritisiert Christian Putsch

Bloß nicht konkret werden! Die neue Afrika-Strategie der EU ist überambitioniert. Aber „grüne Wende“ und „digitaler Wandel“ sind nicht das drängendste Problem des Kontinents. Es ist das Bevölkerungswachstum – aber das kommt nur in einem Nebensatz vor.

18 Seiten lang ist das Strategiepapier der Europäischen Union zu ihrer neuen Afrika-Strategie. Ein ambitioniertes Papier, mit dem ganze Entwicklungsstufen des Kontinents übersprungen werden sollen. Es wimmelt von Schlagworten wie „grüne Wende“, „digitaler Wandel“ und „nachhaltiges Wachstum“.

All das ist richtig. Doch was nützt es, wenn kaum Substanzielles zur Umsetzung festgehalten ist? Sicher, es ist vor allem eine Verhandlungsgrundlage vor dem Gipfeltreffen mit der Afrikanischen Union im Oktober, bei dem die Handelsbeziehungen neu geregelt werden sollen. Die EU bleibt der wichtigste Geschäftspartner Afrikas, das Handelsvolumen ist fast doppelt so groß wie mit China.

Aber die oft vage Sprache wird der Dringlichkeit nicht gerecht. Das Papier wurde zwar innerhalb weniger Monate von der neuen Europäischen Kommission unter Ursula von der Leyen erstellt. Die damit verbundene Botschaft: Afrika hat für uns höchste Priorität. Aber das ist nicht automatisch gleichbedeutend mit Substanz.

Von der so dringend benötigten Industrialisierung Afrikas findet man kaum etwas in dem Papier. Diesen Entwicklungsschritt wird der Kontinent aber nicht überspringen können, wenn es um die entscheidende Währung geht: Arbeitsplätze. Zwar ist der Anteil der Internetnutzer binnen kurzer Zeit auf fast ein Viertel angewachsen. Doch das größte Potenzial liegt im verarbeitenden Gewerbe. Und in einer modernisierten Landwirtschaft. Auch davon ist nur in Allgemeinplätzen die Rede.

Das zentrale Problem kommt zu kurz

Gleichzeitig wird das Problem unzureichender Investitionen Afrikas in Familienplanung nur in Nebensätzen angesprochen. Ob das für ein Strategiepapier reicht, darf angesichts der bis zum Jahr 2050 erwarteten Verdoppelung der afrikanischen Bevölkerung bezweifelt werden. Immerhin ein wenig deutlicher wird man beim Thema Migration. Die Zusammenarbeit bei der Rückübernahme abgelehnter Asylbewerber „sollte verbessert werden“. Viele afrikanische Regierungen zeigen sich bei diesem Thema bislang wenig kooperativ.

Man wäre vielleicht weniger skeptisch, wenn ein ähnlich ehrgeiziges Projekt der größten Industrienationen mehr Früchte tragen würde. 2017 machte Deutschland die „Compact with Africa“-Initiative zum Schwerpunkt der G-20-Präsidentschaft. Mit ihr sollten Privatinvestitionen in ausgewählten Ländern gefördert werden, die sich im Gegenzug zu Wirtschaftsreformen verpflichteten.

Die Resonanz deutscher Unternehmen hinkt den in Afrika geweckten Erwartungen hinterher, trotz erheblicher Bundesgarantien zur Absicherung von Exporten in „Compact“-Länder. Zu viele Ministerien sind beteiligt, zu unübersichtlich sind parallel laufende Initiativen. Und auch bei realisierten Investitionen entstanden nur selten neue Arbeitsplätze im großen Stil.

Bislang überwiegt die Enttäuschung. Eine weitere sollte dringend vermieden werden.