Beitrag vom 05.02.2021
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Afrika-ABC in Zitaten: Staatsstreiche (26)
von Volker Seitz
Seit der Unabhängigkeit vor über 50 Jahren gab es in afrikanischen Staaten mehr als 100 Staatsstreiche oder Putschversuche. Im zentralafrikanischen Gabun ist zuletzt im Januar 2019 ein weiterer Militärputsch fehlgeschlagen. Wesentliches Mittel der Machterhaltung ist eine weitgehende geheimdienstliche Überwachung des öffentlichen Lebens.
Der bereits erwähnte kongolesische Schriftsteller und Professor für Molekularchemie an der Universität Brazzaville, Emmanuel Dongala, schrieb in seinem ersten Roman „Der Morgen vor der Hinrichtung“, Verlag Volk und Welt 1976: „Sie wollten sich ausschütten vor Lachen, als der neue Präsident die Unfähigkeit und Bestechlichkeit der gestürzten Regierung brandmarkte und nun seinerseits allen goldene Zeiten verhieß. Es war Wort für Wort die Rede, die auch sein Vorgänger gehalten hatte, als er an die Macht gekommen war. (S. 156) [...] „Eines Morgens jedoch spürte er beim Aufstehen, dass etwas in der Luft lag: Der staatliche Sender schwieg, nachdem das Pausenzeichen zweimal nacheinander erklungen und plötzlich in der Mitte abgebrochen war. Nun ist aber das Radio in diesen Ländern mit ihren ungeheuren Entfernungen und unsicheren Verkehrsverbindungen mehr als nur ein Mittel der Zerstreuung oder Belehrung: Es verkörpert die Macht des Staates. Mit ihren Sendungen verkündet die Regierung, dass sie da ist und die Zügel fest in der Hand hält... Es war also nicht verwunderlich, dass es Putschisten fast immer als erstes auf den Radiosender abgesehen hatten. (S. 211) [Anmerkung: Das ist auch Jahrzehnte, nachdem E. Dongala das geschrieben hat, noch der Fall.]
Der äthiopische Schriftsteller Dinaw Mengestu beschreibt in seinem Roman „Zum Wiedersehen der Sterne“, Claasen, 2009, ein Ratespiel von drei Afrikanern: „Bis jetzt haben wir dreißig afrikanische Staatsstreiche aufgezählt. Es ist ein Spiel daraus geworden. Nenne einen Diktator, und dann rate das Jahr und das Land. Wir spielen dieses Spiel jetzt schon seit über einem Jahr. Wir haben die Regeln erweitert um Putschversuche, Aufstände, Unruhen, Guerillaführer und die Abkürzungen aller Rebellenorganisationen, die uns einfallen – SPLA, TPLF, LRA, UNITA – also alle, die im Namen der Revolution zur Waffe gegriffen haben. Ganz egal, wie viele wir aufzählen, es gibt immer noch mehr, die Namen und Jahreszahlen vervielfältigen sich so schnell, wie wir sie uns einprägen, sodass wir uns manchmal halb im Scherz die Frage stellen, ob wir für die Misere nicht vielleicht sogar mitverantwortlich sind... Jeder von uns hat seine Lieblinge. Bokassa, Amin, Mobutu. Wir lieben alle, die berühmt sind für absurde Proklamationen und skurrile Auftritte, Diktatoren, die vierzig Frauen und doppelt so viele Kinder haben, auf goldenen Thronen in Gestalt eines Adlers sitzen, sich zu Göttern ernennen und um die sich Gerüchte über Inzest, Kannibalismus und schwarze Magie ranken.“ (Seiten 14/15)