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Pour une autre politique de développement!

Beitrag vom 07.12.2012

Schwäbische Zeitung

"Afrika ist ein unglaublich reicher Kontinent"

Dokumentarfilmer Peter Heller über die staatliche Entwicklungshilfe aus dem Ausland

Leutkirch / sz Filmemacher Peter Heller dreht seit 30 Jahren Filme in Afrika. Nun ist sein Film "Süßes Gift - Hilfe als Geschäft" in den Kinos. Darin kommen Afrikaner zu Wort, die sagen, dass sie nach 50 Jahren Unabhängigkeit und 600 Milliarden US-Dollar an staatlicher Entwicklungshilfe noch immer abhängig davon sind. Sie mache lethargisch und verhindert den eigenen Antrieb. Redakteurin Melanie Kräuter hat mit Heller gesprochen.

SZ: Wieso fühlen sich Afrikaner noch immer abhängig von staatlicher Entwicklungshilfe aus dem Ausland?

Peter Heller: Es ist ein Fakt. Tansania zum Beispiel gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. Fast die Hälfte des Staatsbudgets kommt aus dem Ausland, ebenso wie in Mali. Dennoch ist in Mali die "private Entwicklungshilfe", also die Überweisungen von Emigranten, höher als die staatliche Entwicklungshilfe. Mali ist ein sehr armes Land, aber Tansania ist der drittgrößte Goldproduzent Afrikas. Man geht davon aus, dass Tansania in fünf Jahren zu den größten Goldproduzenten der Welt gehört. Irgendwo muss der Reichtum ja bleiben, da versickert zu viel in korrupten Kanälen.

SZ: Sie stellen in ihrem Film drei Entwicklungshilfe-Projekte vor, die Fehlplanungen waren. In Kenia wollte man Nomaden zu Fischern zu machen. Die Norweger bauten eine Frostfabrik in die Wüste, aber es gab weder genug Strom noch sauberes Wasser. Kommt so etwas oft vor?

Heller: Die Projekte, die ich zeige, stehen stellvertretend für ein Gros dieser Art von Projekten. Ich zeige gar nicht die extremsten Beispiele. Man muss unterscheiden zwischen Nothilfe und Großprojekten. Ich zeige in dem Film erst eine Szene der Dürre und dann wie Missionare Nothilfe leisten. Sie siedeln die Nomaden an den See um, geben ihnen Boote zum Fischen. Damit wurde sinnvolle Entwicklungshilfe eingeleitet. Sicher ist das ein Kulturschock. Eine alte Nomadin hatte noch nie Fisch gegessen oder einen See gesehen. Doch sie gewöhnte sich daran. Dann kamen die Norweger und wollten etwas Gutgemeintes tun und bauten diese Fischfabrik. Daraus entstand dieser Schmarrn.

SZ: Was wollen Sie mit dem Film erreichen?

Heller: Ich will provozieren und zeigen, dass man den Afrikanern Mut zusprechen muss. Sie müssen an sich selbst etwas verändern. Man darf nicht vergessen: Afrika ist ein unglaublich reicher Kontinent. Deswegen werden Kriege geführt. Die ganze Geschichte vom Kongo ist ein Rohstoffkrieg, erst ging es um Kupfer, jetzt um Coltan. Man muss sich fragen, wieso sich auf diesem Kontinent so wenig verändert? Das liegt daran, dass sich die Afrikaner die falsche Mentalität anerziehen ließen.

SZ: Gibt es Hoffnung?

Heller: Mit mehr Demokratisierung, mehr Bildung und mehr Kommunikationsmöglichkeiten sehe ich Grund zur Hoffnung. Ich habe noch nie etwas so Revolutionäres erlebt, wie diese läppischen Mobiltelefone. Heute erfahren Menschen übers Handy, wie viel die Baumwolle an der Börse kostet. Sie sind informierter und lassen sich nicht mehr von Händlern betrügen. Auch der Rohstoffreichtum und die vielen jungen Leute sind ein irrsinniges Kapital dieses Kontinents. Die afrikanischen Experten in dem Film sind selbstkritisch, sie geben dem Zuschauer aber das Gefühl, dass sie das Problem selbst in die Hand nehmen und willig sind, die Situation zu verändern. Das ist der Optimismus, den man spüren soll.

SZ: Hilfe ist auch ein Geschäft: Deutsche Unternehmen profitieren etwa von Staudamm-Bauten, 17000 Menschen arbeiten in deutscher Entwicklungshilfe und kosten 1,8 Milliarden Euro.

Heller: Klar, für Deutschland ist Hilfe ein gutes Geschäft: Unser Entwicklungshilfeminister ist stolz darauf, dass das 1,8fache von dem zurückfließt, was wir reinstecken - in Form von Aufträgen an deutsche Firmen. Heute gibt es vier Millionen Chinesen in Afrika. In Äthiopien bauen sie gerade einen Riesenstaudamm. Die Deutschen haben den Auftrag nicht bekommen, weil die Chinesen billiger sind. Aber die reden gar nicht von Hilfe und stellen keine Fragen. Sie sehen das als Geschäft und lassen es sich in Rohstoffen bezahlen.

SZ: Welche Erfahrungen haben Sie mit Korruption in Afrika gemacht?

Heller: Ein absurdes Beispiel aus Mali: Ein Staudamm stand elf Jahre und lieferte keinen Strom, weil keine Maschinen drin waren. Als Grund wurden Probleme mit der Finanzierung genannt. Irgendwann sagte mir ein Politiker, dass das Unsinn ist. Die Leute in der malischen Regierung hatten Anteile an der staatlichen Gesellschaft, die Dieselöl liefert. Sie hatten kein Interesse daran, dass der Staudamm funktioniert, weil dann die Hauptstadt die Dieselaggregate nicht mehr gebraucht hätte. Also behinderten sie den Staudamm-Bau..

SZ: Es müsste mehr in Bildung, Landwirtschaft oder kleine Betriebe investiert werden. Die Baumwoll-Kooperation zwischen Tansania und einer Schweizer Firma, die fairen Handel betreibt, ist ein positives Beispiel.

Heller: Ich war sehr skeptisch, als ich vor 16 Jahren das erste Mal von dem Projekt gehört habe. Aber ich habe dann vor Ort miterlebt, wie aus wenigen Hundert Bauern inzwischen Tausende geworden sind und aus zwei Dörfern 16. Natürlich will der Firmeninhaber unter anderem auch Profit machen, trotzdem hat er Geduld, Glauben und gute Ideen. Nachhaltige Zusammenarbeit macht sicher auch gegenseitig abhängig, die Tansanier können ohne diese Schweizer ihre Baumwolle nicht verkaufen. Der tansanische Partner zeigt den Bauern, wie die Baumwolle verarbeitet und veredelt wird. Das sind vorbildliche Schritte. Durch Privatinitiativen wird viel verändert. Die Lösung kann nur sein, dass Afrikaner in eigener Verantwortung und mit eigenem Risiko Dinge machen.

SZ: Viele Nichtregierungsorganisationen bezeichnen ihre Projekte als "Hilfe zur Selbsthilfe". Funktioniert das?

Heller: Das sagt sich so leicht und die Idee ist nach wie vor richtig. Doch oftmals wären Experten von außen gar nicht nötig, weil es Experten im eigenen Land gibt. Ein Bespiel: Im Office du Niger, der fruchtbarsten Region Malis, gibt es sehr viele und erfolgreiche und qualifizierte Projekte und Bauern, die seit Generationen Reis anbauen. Warum holt man sie nicht bei Projekten dazu? Stattdessen kommen Berater aus Deutschland, Tunesien oder Frankreich - das ist doch Quatsch.

SZ: Gerade wird wieder zum Spenden aufgerufen. Ist das sinnvoll?

Heller: Spendenaktionen sind kleinprojektbezogen, personifizierbar und haben mit der großen staatlichen Entwicklungshilfe wenig gemeinsam. Ich bin selbst Vorsitzender einer kleinen Kinder- und Jugendstiftung, die in Afrika tätig ist. Das ist etwas ganz anderes als die Hilfsindustrie der Staaten.