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Beitrag vom 06.02.2022

FAS

RUSSISCHE SÖLDNER IN AFRIKA

Putins langer Arm

In afrikanischen Staaten wie Mali oder der Zentralafrikanischen Republik kämpfen immer mehr russische Söldner. Frieden bringen sie nicht – aber sie mehren die Macht des Kremls.

Von Claudia Bröll, Friedrich Schmidt

In Bangui gibt es ein neues Denkmal: vier Soldaten in Kampfmontur, dahinter eine Frau mit zwei Kindern. Als Fotos von der Enthüllung durch Faustin Archange Touadéra, den Präsidenten der Zentralafrikanischen Republik (ZAR), in den sozialen Medien die Runde machten, fiel internationalen Fachleuten etwas auf: Die Soldatenfiguren der neuen Skulptur ähneln stark drei identischen Bronzekämpfern zu Ehren „russischer Freiwilliger“. Sie stehen im syrischen Palmyra, im ost­ukrainischen Luhansk und in einer Kleinstadt der südrussischen Region Krasnodar. Am ersten und am zweiten Schauplatz haben Söldner der russischen „Wagner“-Gruppe gekämpft, in der Nähe des dritten werden sie ausgebildet. Neben der ZAR ist „Wagner“ mittlerweile in einer Reihe afrikanischer Staaten aktiv, im Kraftfeld von Gewalt, Geld und Geopolitik.

Offiziell gibt es die „Gruppe Wagner“ nicht. Private Militärunternehmen sind in Russland verboten. Es gibt nur eine Vielzahl von Akteuren, viele mit einem Hintergrund in russischen Geheimdiensten und Sicherheitskräften. „Wagner“ soll der Spitzname ihres Kommandeurs sein, der im Militärgeheimdienst GRU gedient haben und dem Komponisten Richard Wagner sowie dem „Dritten Reich“ zugetan sein soll. Zugerechnet werden die Söldner dem Sankt Petersburger Geschäftsmann Jewgenij Prigoschin. „Putins Koch“ soll zum Einsatz kommen, wenn der Kreml Gäste empfängt, ebenso soll er für die russischen Streitkräfte, Schulen und Kindergärten kochen. Ein großes Geschäft. Auch Propagandamedien und eine Petersburger Internet-„Trollfabrik“ ordnet man Prigoschin zu. Der bestreitet die Verbindungen, auch die zu Unternehmen, die im Rohstoffgeschäft der Länder engagiert sind, in denen „Wagner“-Söldner kämpfen. Doch zugleich kokettiert Prigoschin mit seinem Image als Putins Mann fürs Grobe. Dass die EU und die Vereinigten Staaten Prigoschin, weitere Russen sowie Unternehmen, die sie mit „Wagner“ verbinden, mit Sanktionen belegt haben, erscheint aus Kreml-Sicht wie eine Auszeichnung.

Militärhilfe gegen Rohstoffe

Zuerst kämpften „Wagner“-Söldner von 2014 an in der Ukraine gegen die Regierung in Kiew. Offiziell hat der russische Staat nichts mit ihnen zu tun. Geht ein Einsatz gut, kann ein „Wagner“-Söldner nicht nur den Orden der Truppe, ein Kreuz mit Schwertern, erhalten, sondern auch offizielle Auszeichnungen. Geht etwas schief, ist das auch kein Problem für den Kreml. Als Putin vor zwei Jahren nach in Libyen gesichteten „Wagner“-Söldnern befragt wurde, sagte er, wenn dort russische Staatsbürger seien, „dann vertreten sie nicht die Interessen des russischen Staats und erhalten kein Geld vom russischen Staat“. Doch sind viele Verbindungen bezeugt. So wurde der BBC in Libyen ein Tablet zugespielt, das ein russischer Söldner zurückgelassen haben soll. Darauf war unter anderem eine „Einkaufsliste“ von Waffen gespeichert, die nur das russische Militär liefern kann.

Auch in der bitterarmen ZAR dementieren Regierungsvertreter weiterhin den Einsatz der Söldner. Bewohner von Bangui erzählen aber, dass „Wagner“-Leute seit Jahren als Leibwächter des Präsidenten auftreten. Sie bilden Soldaten aus, sind auf Pritschenwagen und in Tavernen zu sehen. Laut dem amerikanischen Sender CNN erhielt ein Prigoschin zugerechnetes Unternehmen Konzessionen für Gold- und Diamantenminen in dem Land. Das Muster „Militärhilfe gegen Rohstoffe“ wurde in Syrien bekannt: „Wagner“-Leute kämpfen, bilden aus, beraten – und gründen Unternehmen, die Öl-, Gas-, Gold-, Diamanten-, Platin- oder Uranvorkommen ausbeuten.

Auch sonst ist „Wagner“ in der ZAR besonders sichtbar. Vor Kurzem waren in den sozialen Medien Fotos zu sehen, auf denen Soldaten und Bürger mit bedruckten T-Shirts posierten. „Je suis Wagner“ (Ich bin Wagner) stand auf ihnen. Prigoschin selbst soll einen Film finanziert haben, der erzählt, wie russische Söldner einen Putschversuch in dem Land vereiteln. Der „Wagner“ zugerechnete Russe Valerij Sacharow brachte es zum offiziellen Sicherheitsberater von Präsident Touadéra. Die EU macht Sacharow unter anderem für die Tötung dreier russischer Journalisten verantwortlich, die 2018 in der ZAR zu „Wagner“ recherchierten.

Im Jahr darauf ließ Sacharow CNN ein Training durch russische Ausbilder filmen und sagte in einem Interview, Russland kehre auf den afrikanischen Kontinent zurück, auf Positionen des Kalten Krieges. Das war vielleicht zu offensives Marketing, Sacharow soll nach Russland zurückgekehrt sein. „Wagner“ blieb. Prigoschin selbst kam im vergangenen Jahr zweimal nach Bangui und traf den Präsidenten.

Dabei kann er auf das Plazet seines Herrn zählen. Dass Präsident Putin Russland nach Afrika zurückbringen will, ließ sich 2019 in Sotschi besichtigen, beim ersten „Russland-Afrika-Gipfel“. Wirtschaftlich war er kein Erfolg; Russlands wichtigste Kooperationen auf dem Kontinent bestehen weiterhin mit Algerien, Ägypten und Südafrika. Auch kommt nur ein Prozent der Auslandsinvestitionen in Afrika aus Russland. Umgekehrt gilt das Land afrikanischen Staaten nicht als Markt. Dennoch wächst Russlands Einfluss, dank Propaganda und dank „Wagner“. Ableger der Staatsmedien RT und Sputnik vertreiben in etlichen afrikanischen Ländern Inhalte auch über lokale Websites, verbreiten laut einer französischen Studie antiwestliche Kampagnen. Und in Staaten, die von Konflikten zerrüttet oder deren Machthaber im Westen nicht gelitten sind, kommt „Wagner“ zum Zuge.

Den Anfang machte Sudan 2017, damals noch unter Diktator Omar al-Baschir. Das Engagement der Söldner überdauerte Baschirs Sturz. Laut der französischen Zeitung „Le Monde“ sind sie jetzt an der Unterdrückung von Demonstranten im Land beteiligt. Auch offizielle Beziehungen gibt es. Moskau will eine Marinebasis am Roten Meer aufbauen, in strategisch wichtiger Lage. Auch die aus zwei Coups hervorgegangene Militärregierung in Mali soll gerade „Wagner“-Söldner ins Land geholt haben. Offiziell wird auch dieser Einsatz dementiert. Der Junta zufolge handelt es sich um Soldaten, die kraft einer Vereinbarung mit der russischen Regierung als Ausbilder geschickt worden seien. Auch militärisches Gerät wie Hubschrauber hatte die Junta bei Russland bestellt. Binnen kurzer Zeit wuchs die Zahl der „Ausbilder“. Mittlerweile sind nach übereinstimmenden Berichten rund 600 Söldner in Mali. Die westlichen Verbündeten der gestürzten Regierung sprechen von stichfesten Beweisen, basierend unter anderem auf der Analyse von Flugrouten über Syrien und Libyen sowie von Flugzeugtypen. Den Russen wird in Bamako zugutegehalten, dass sie nicht nur ausbilden, sondern kämpfen. Das tun die französischen Spezialkräfte im Land zwar auch, aber nicht im Zentrum des Landes. Seit Jahresbeginn berichtet die Junta von dort über militärische Erfolge im Kampf gegen Terroristen dank „russischer Unterstützung“ und behauptet, Zehntausende Flüchtlinge hätten in ihre Heimat zurückkehren können. Die Junta, die Wahlen verschoben hat, will rasche Erfolge. Zudem setzt sie auf Abgrenzung von Frankreich, der früheren Kolonialmacht. Gerade hat sie den französischen Botschafter des Landes verwiesen, nach neuer Kritik aus Paris.

Hybride Kampfinstrumente

In Amerika und Europa herrscht große Aufregung über die Ankunft der „Wagner“-Truppe in Mali. Sechzehn Staaten, unter ihnen Frankreich, Großbritannien, Italien und Deutschland, schrieben im Dezember, dass die russische Regierung „Unterstützung für den Wagner-Einsatz in Mali“ leiste. Im Westen sieht man „Wagner“ als eines von Putins „hybriden“ Kampfinstrumenten – und blickt mit Sorge auf die immer längere Liste von Ländern mit russischer Präsenz. Auch wegen der Migrationsrouten nach Europa.

Nach dem jüngsten Staatsstreich in Burkina Faso wird darüber spekuliert, ob auch dort die Söldner auftauchen könnten. Der neue Machthaber, Paul-Henri Sandaogo Damiba, soll vor dem Coup mindestens zweimal versucht haben, den Präsidenten von einem „Wagner“-Einsatz zu überzeugen. Dessen brüske Ablehnung könnte mit zum Staatsstreich beigetragen haben. Alsbald pries Prigoschin den Putsch und auch die Führer der Länder, in denen „Wagner“ schon aktiv ist. Den starken Mann in Mali, Oberst Assimi Goïta, bezeichnete Prigoschin als „afrikanischen Che Guevara“, verglich ihn mit Putin. „Der Westen“ schaffe selbst Terrorgruppen und kämpfe zugleich „sehr schlecht mit ihnen“, behauptete Prigoschin. Auch wolle der Westen „den Afrikanern fremde Werte aufzwingen“. Russland dagegen „respektiert und unterstützt nationale Prioritäten und Werte“. Jetzt habe „eine neue Ära der Entkolonialisierung“ großer Teile Afrikas begonnen.

Für die neuen Machthaber im Sahel ist die Annäherung an Russland naheliegend. Seit der Unabhängigkeit von Frankreich entstanden enge Beziehungen zur Sowjetunion. In Mali gehörte der russische Botschafter zu den ersten ausländischen Diplomaten, die von der Junta empfangen wurden. Zwei der Mitstreiter Goïtas waren kurz vor dem Staatsstreich zu einem militärischen Training in Russland. Jetzt könnten die Sanktionen der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS gegen Mali das Land weiter in die Arme von „nichttraditionellen Partnern wie Russland und der Türkei“ treiben, vermutet das südafrikanische Analyseinstitut Pangea-Risk. Und schließlich hat die neue Militärregierung mit Russland einen Verbündeten mit einem Sitz im UN-Sicherheitsrat.

Auch in weiten Teilen der Bevölkerung in Mali und in Burkina Faso gilt Russland als Hoffnungsträger. Trotz des Großeinsatzes westlicher Truppen hat sich die Sicherheitslage im Sahel noch einmal verschlechtert. Nach Informationen des Africa Center for Strategic Studies ist die Zahl der Gewalttaten im Zusammenhang mit islamistischen Terroristen 2021 um 70 Prozent auf einen neuen Rekordwert gestiegen. Brennpunkte waren Burkina Faso, Mali und der westliche Teil Nigers. Die Russen erfreuen sich eines Bildes als Ausputzer, mit Putin als Macher, der nicht lange fackelt.

Doch ist fraglich, ob die „Wagner“-Söldner zu einer Stabilisierung oder gar zu einem Frieden beitragen. Das zeigt das Beispiel Mosambik, wo sie ein Debakel erlebten. Nach Angaben von Sicherheitsexperten waren die Söldner in der umkämpften Provinz Cabo Delgado ohne ausreichende Vorbereitung in den Kampf gegen die bewaffneten Gruppen gezogen, die dort ihr Unwesen treiben. Gleich zu Beginn wurden zahlreiche Söldner von Aufständischen getötet, die sich mit Uniformen der mosambikanischen Armee verkleidet hatten. Außerdem, berichtete „Le Monde“, hätten die Generale der Armee Mosambiks die Bodenschätze unter sich aufgeteilt, sodass es für „Wagner“ nichts zu holen gegeben habe. Die Russen zogen ab. „In Mosambik wünscht sich niemand die Söldner zurück. Die Bürger im Sahel können sich auf das Schlimmste gefasst machen“, sagt Johan Viljoen, Director des Denis Hurley Peace Institute. Das Institut gehört zur Katholischen Bischofskonferenz im Südlichen Afrika und leistet in Mosambik humanitäre Hilfe. Die Kämpfer privater Militärunternehmen aus Russland wie auch aus Südafrika seien in zahlreiche Angriffe auf die Zivilbevölkerung und viele Gräueltaten verwickelt gewesen. Solche Berichte gibt es von vielen Orten, an denen „Wagner“ eingesetzt war. Nicht nur gehört es zu ihrem Markenkern, Angst und Schrecken zu verbreiten: Der BBC sagte ein ehemaliger Kämpfer, Gefangene würden erschossen, um „kein zusätzliches Maul stopfen zu müssen“.

Folgen für Mali-Missionen

In Mali, das dreieinhalbmal so groß ist wie Deutschland, dürften einige Hundert russische Kämpfer kaum genügen, um im Wettstreit verschiedener Gruppen erfolgreich zu sein. Doch ihre Präsenz hat schon jetzt Folgen für die Missionen von EU und UN, an denen auch die Bundeswehr beteiligt ist. So verlangt Mali von den UN, dass sie Flüge innerhalb des Landes einschließlich Drohnenaufklärung vorher anmelden. Diplomaten vermuten dahinter ein Drängen Russlands, um nicht die Aufenthaltsorte der „Wagner“-Söldner ausspähen zu können. Die Anmeldefrist behindert die Luftaufklärung der UN, um bei Angriffen von Terroristen schnell reagieren zu können. Gerade hat die Militärregierung für jeden Einsatz des europäischen Spezialkräfteverbunds „Takuba“ eine vorherige schriftliche Erlaubnis gefordert. Das eben eingetroffene dänische Kontingent der Mission wurde für „nicht willkommen“ erklärt, Schweden will seine Soldaten wegen der „Wagner“-Präsenz in Mali abziehen, die Zukunft des Einsatzes ist ungewiss. Kann „Wagner“ die Lücke füllen? Der Einsatz der Söldner kostet viel Geld, dem amerikanischen Außenministerium zufolge zehn Millionen Dollar im Monat. Wie die Junta dies finanzieren soll, ist unklar, und auch, inwiefern Malis Rohstoffvorkommen, Gold und Uran, künftig überhaupt von den Russen ausgebeutet werden können. Konflikte mit etablierten Akteuren drohen.

Auch in der ZAR wurden die Russen einst hoffnungsvoll begrüßt. Doch die Stimmung hat sich gedreht, seit sich auch dort Vorwürfe von Menschenrechtsverletzungen und Gewalt gegen Bürger, insbesondere gegen Muslime, mehren. Zusätzlich hat der russische Einfluss auch dort die westlichen Geberländer verärgert. Von ihrem Geld hängt laut der International Crisis Group mehr als die Hälfte des Staatshaushalts der ZAR ab. Befürchtet wird, dass diese Hilfen in den Kassen von „Wagner“ landen. Die UN-Mission im Land, MINUSCA, stoppte Benzinlieferungen an die nationale Armee, als sie merkte, dass die russischen Söldner damit ihre Fahrzeuge betankten.