Dem Bonner Aufruf Plus, der erfreulicherweise gegenüber der Erstversion nunmehr Substanz erhalten hat, kommt bei mir in Teilen "weichgespült rüberâ€. Möglicherweise ist dies auf den nicht leicht zu erreichenden Konsens unter den renommierten Autoren zurückzuführen.
Trotzdem ist der aktuellen Version weitestgehend zuzustimmen, z. B. was die Skepsis zur Budgethilfe betrifft. Zu begrüßen ist auch der Gedanke, dass das Subsidiaritätsprinzip im Rahmen einer basisorientierten Unterstützung einen höheren Stellenwert erhalten muss. Ebenso sind eigenverantwortlich aufgebaute Mikrofinanzsysteme - wie beispielweise in Bangladesch erfolgreich praktiziert - zu unterstützen, bei denen durch die Vergabe von Kleinkrediten die Menschen nicht zu Bittstellern werden.
Die diplomatischen Vertretungen allerdings stärker mit entscheidungsbefugten Experten der Entwicklungshilfe zu bestücken steht m. E. nicht im Einklang mit der geforderten radikalen Kursänderung in der Entwicklungspolitik. Keine Frage, die Koordinierung sowie Bündelung der nationalen Programme und Projekte der von staatlichen Stellen und Nichtregierungsorganisationen (NRO) durchgeführten Hilfsmaßnahmen ist unerlässlich, wobei die Botschaften natürlich einzubeziehen sind. Aber macht es Sinn, die im In- oder Ausland tätigen Entwicklungshilfeexperten in großer Zahl an die diplomatischen Vertretungen umzusetzen ? Die Fachleute werden auch in dieser Position kaum in der Lage sein, unabhängige Entscheidungen zu treffen, sind es doch in der Regel von staatlichen Stellen oder von NROs delegierte Bedienstete, die geberorientierte Interessen zu verfolgen haben, nicht zuletzt wirtschaftlicher Art. Die Beendigung der unheilvollen Allianzen von Vertretern der Geberinstitutionen mit denen der Empfängerländer wird damit kaum zu erreichen sein.
Im Aufruf Plus kommt ein anderer, gravierender Aspekt zu kurz, nämlich die Frage "Wie können Vertreter unterschiedlichster Kulturen zu einem gemeinsamen, zukunftsträchtigen Entwicklungsansatz kommen?â€. Gemeint sind die extrem schwer zu überbrückenden Gegensätze sowohl im wirtschaftlichen wie auch im sozio-kulturellen Bereich, die in meinem Beitrag vom 25.1.2009 auf dieser Website angesprochen wurden.
Der gesellschaftliche Aufbau westlicher Industrieländer ist bekanntlich in keiner Weise vergleichbar mit afrikanischen Strukturen - eingeschlossen staatliche Stellen - wo Stammesälteste, Chiefs, Familienclans, Stämme, Kirchenvertreter in für uns fremder Weise nicht nur das Wirtschaftsleben, sondern das alles überragende sozio-kulturelle Miteinander bestimmen. Einzig und allein diese sozialen Netzwerke ergeben Sicherheit und sind lebensentscheidend und nicht etwa staatliche Sozialsysteme westlicher Prägung. Die vorgenannten Personen, Institutionen und Gruppierungen mit ihrer afrikanischen Lebensphilosophie, ihren Interessen und Zwängen, aber auch Erfahrungen, wären die maßgebenden Ansprechpartner im Rahmen einer basisorientierten Zusammenarbeit. Es sind also nicht vertraute, institutionalisierte Einrichtungen, auf die der Experte - ausgestattet mit dem westlichen Begriff von Entwicklung - im Geberland stößt.
Weitere sozio-kulturelle Fakten kommen hinzu, die wir zur Kenntnis nehmen müssen,
nämlich Nepotismus, Fatalismus, Ahnenglaube, Korruption u.v.m. Diese Kulturmerkmale und ebenso die afrikanische Weise des subsistierenden Wirtschaftens sowie das durch Gemeinsinn, Teilen, Genügsamkeit, Demut, Emotionalität etc. geprägte Zusammenleben machen es außerordentlich schwierig, einen gemeinsamen Ansatz der Entwicklungshilfe zu finden.
Bedauerlicherweise werden diese zentralen Aspekte von den Initiatoren im Aufruf Plus nicht deutlich genug angesprochen.
Zusammenfassend einige Grundsätze zur Entwicklungspolitik (u.a.):
· Ja zu einer anderen Entwicklungspolitik, die von einer deutlichen Kursänderung bestimmt sein muss.
· Afrikanische Gesellschaften können sich nur selbst entwickeln, schon deshalb, weil Hilfe von außen Eigeninitiative lähmt. Weniger Hilfe ist also oft die bessere Entwicklungshilfe.
· Unsere Vorstellungen von Entwicklungshilfe sind hintenan zu stellen, da sie nur bedingt in afrikanischen Gesellschaften greifen, ja, oft Schaden anrichten. Im übrigen ist es unglaubwürdig, das in vieler Hinsicht schwer angeschlagene "Lebensmodell†der Industrieländer als Vorbild hinzustellen.
· Im Rahmen von Hilfsmaßnahmen sind die Entscheidungsträger der Nehmerländer an eine eigenverantwortliche Mitwirkung zum Wohl der Menschen heranzuführen.
· Wir als Geberland haben wirtschaftliche wie auch sozio-kulturelle Werte und Erfahrungen der empfangenden Gesellschaften anzuerkennen. Entwicklungshilfe ist keine Einbahnstraße, sind uns doch afrikanische Werte wie die oben genannten (Gemeinsinn etc.) verloren gegangen.
· Nur von gegenseitigem Respekt geprägte Entwicklungszusammenarbeit, dieses partnerschaftlich auf Augenhöhe, hat Aussicht auf bessere Perspektiven.
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mar, 31 Mar 2009 - 13:17
Dem Bonner Aufruf Plus, der erfreulicherweise gegenüber der Erstversion nunmehr Substanz erhalten hat, kommt bei mir in Teilen "weichgespült rüberâ€. Möglicherweise ist dies auf den nicht leicht zu erreichenden Konsens unter den renommierten Autoren zurückzuführen.
Trotzdem ist der aktuellen Version weitestgehend zuzustimmen, z. B. was die Skepsis zur Budgethilfe betrifft. Zu begrüßen ist auch der Gedanke, dass das Subsidiaritätsprinzip im Rahmen einer basisorientierten Unterstützung einen höheren Stellenwert erhalten muss. Ebenso sind eigenverantwortlich aufgebaute Mikrofinanzsysteme - wie beispielweise in Bangladesch erfolgreich praktiziert - zu unterstützen, bei denen durch die Vergabe von Kleinkrediten die Menschen nicht zu Bittstellern werden.
Die diplomatischen Vertretungen allerdings stärker mit entscheidungsbefugten Experten der Entwicklungshilfe zu bestücken steht m. E. nicht im Einklang mit der geforderten radikalen Kursänderung in der Entwicklungspolitik. Keine Frage, die Koordinierung sowie Bündelung der nationalen Programme und Projekte der von staatlichen Stellen und Nichtregierungsorganisationen (NRO) durchgeführten Hilfsmaßnahmen ist unerlässlich, wobei die Botschaften natürlich einzubeziehen sind. Aber macht es Sinn, die im In- oder Ausland tätigen Entwicklungshilfeexperten in großer Zahl an die diplomatischen Vertretungen umzusetzen ? Die Fachleute werden auch in dieser Position kaum in der Lage sein, unabhängige Entscheidungen zu treffen, sind es doch in der Regel von staatlichen Stellen oder von NROs delegierte Bedienstete, die geberorientierte Interessen zu verfolgen haben, nicht zuletzt wirtschaftlicher Art. Die Beendigung der unheilvollen Allianzen von Vertretern der Geberinstitutionen mit denen der Empfängerländer wird damit kaum zu erreichen sein.
Im Aufruf Plus kommt ein anderer, gravierender Aspekt zu kurz, nämlich die Frage "Wie können Vertreter unterschiedlichster Kulturen zu einem gemeinsamen, zukunftsträchtigen Entwicklungsansatz kommen?â€. Gemeint sind die extrem schwer zu überbrückenden Gegensätze sowohl im wirtschaftlichen wie auch im sozio-kulturellen Bereich, die in meinem Beitrag vom 25.1.2009 auf dieser Website angesprochen wurden.
Der gesellschaftliche Aufbau westlicher Industrieländer ist bekanntlich in keiner Weise vergleichbar mit afrikanischen Strukturen - eingeschlossen staatliche Stellen - wo Stammesälteste, Chiefs, Familienclans, Stämme, Kirchenvertreter in für uns fremder Weise nicht nur das Wirtschaftsleben, sondern das alles überragende sozio-kulturelle Miteinander bestimmen. Einzig und allein diese sozialen Netzwerke ergeben Sicherheit und sind lebensentscheidend und nicht etwa staatliche Sozialsysteme westlicher Prägung. Die vorgenannten Personen, Institutionen und Gruppierungen mit ihrer afrikanischen Lebensphilosophie, ihren Interessen und Zwängen, aber auch Erfahrungen, wären die maßgebenden Ansprechpartner im Rahmen einer basisorientierten Zusammenarbeit. Es sind also nicht vertraute, institutionalisierte Einrichtungen, auf die der Experte - ausgestattet mit dem westlichen Begriff von Entwicklung - im Geberland stößt.
Weitere sozio-kulturelle Fakten kommen hinzu, die wir zur Kenntnis nehmen müssen,
nämlich Nepotismus, Fatalismus, Ahnenglaube, Korruption u.v.m. Diese Kulturmerkmale und ebenso die afrikanische Weise des subsistierenden Wirtschaftens sowie das durch Gemeinsinn, Teilen, Genügsamkeit, Demut, Emotionalität etc. geprägte Zusammenleben machen es außerordentlich schwierig, einen gemeinsamen Ansatz der Entwicklungshilfe zu finden.
Bedauerlicherweise werden diese zentralen Aspekte von den Initiatoren im Aufruf Plus nicht deutlich genug angesprochen.
Zusammenfassend einige Grundsätze zur Entwicklungspolitik (u.a.):
· Ja zu einer anderen Entwicklungspolitik, die von einer deutlichen Kursänderung bestimmt sein muss.
· Afrikanische Gesellschaften können sich nur selbst entwickeln, schon deshalb, weil Hilfe von außen Eigeninitiative lähmt. Weniger Hilfe ist also oft die bessere Entwicklungshilfe.
· Unsere Vorstellungen von Entwicklungshilfe sind hintenan zu stellen, da sie nur bedingt in afrikanischen Gesellschaften greifen, ja, oft Schaden anrichten. Im übrigen ist es unglaubwürdig, das in vieler Hinsicht schwer angeschlagene "Lebensmodell†der Industrieländer als Vorbild hinzustellen.
· Im Rahmen von Hilfsmaßnahmen sind die Entscheidungsträger der Nehmerländer an eine eigenverantwortliche Mitwirkung zum Wohl der Menschen heranzuführen.
· Wir als Geberland haben wirtschaftliche wie auch sozio-kulturelle Werte und Erfahrungen der empfangenden Gesellschaften anzuerkennen. Entwicklungshilfe ist keine Einbahnstraße, sind uns doch afrikanische Werte wie die oben genannten (Gemeinsinn etc.) verloren gegangen.
· Nur von gegenseitigem Respekt geprägte Entwicklungszusammenarbeit, dieses partnerschaftlich auf Augenhöhe, hat Aussicht auf bessere Perspektiven.