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Afrika-ABC in Zitaten: Korruption

Afrika
Achgut.com von Volker Seitz Von dem früheren Präsidenten Sambias, Levy Mwanawasa, ist der Satz überliefert: „Es ist weder Aids noch Armut, sondern Korruption, die die größte Gefahr für das Volk birgt.“ Oftmals fehlt ein allgemeines Unrechtsbewusstsein, wenn jemand seinen Zugang zum staatlichen Futtertrog für sich nutzt. In keinem der Staaten, die ich kenne, rief ein Minister aus bescheidenen Verhältnissen, der wenige Monate nach seiner Amtsübernahme mehrere teure Privatautos fuhr, öffentliche Entrüstung hervor. Vénance Konan in seinem Buch „Chroniques afro-sarcastiques“: „Houphouët-Boigny, ehemaliger Präsident der Elfenbeinküste, sprach eines Tages zu seinem Volk und fragte: ‚Welcher seriöse Geschäftsmann hat kein Konto in der Schweiz?' Und sein Volk jubelte. Man muss aber wissen, dass unsere Chefs auch Geschäftsleute sind. Sie besitzen die besten Unternehmen des Landes. Ohnehin kann niemand im Lande Geschäfte machen, ohne an sie eine Kommission zu zahlen oder sie selbst, ihre Frauen, ihre Geliebten, Söhne, Neffen oder andere Verwandte, am Gewinn zu beteiligen.“ „Er erinnerte sich daran, was die Männer aus seinem Compound über den großen Sack Würmer gesagt hatten. Er dachte über die Korruptheit der Bürokratie nach und dass die ganze Gesellschaft davon erfasst war. Er dachte an die ältere Generation, die einen großen Teil der Reichtümer des Landes vergeudet und gestohlen, die Zukunft vernichtet und die Möglichkeiten eingeschränkt hatte. Sie hatten sich selbst bereichert, sich vollgefressen, überall ein wildes Durcheinander geschaffen, die folgende Generation verdorben und das Land dem Aussatz des Hungers überlassen.“ Quelle: der nigerianische Schriftsteller Ben Okri in „Verfängliche Liebe“, dtv 1999 (S. 234) Die nigerianische Schriftstellerin Sefi Atta (Wole Soyinka Price for African Literature) spottet in ihrem Roman „Nur ein Teil von dir“, Peter Hammer Verlag, 2013: „Die einzigen Leute, die von sich behaupten, sie seien nicht korrupt, hatten bloß keine Gelegenheit dazu, und deshalb beschweren sie sich. Sie fühlen sich betrogen inmitten der allgemeinen Korruption.“ (S. 106) Nochmal Samson Kambalu in seinem Buch „Jive Talker“: „Um einen Pass zu bekommen, musste ich nach Blantyre. Es dauerte eine Ewigkeit, bis ich ihn endlich erhielt, und meine Finanzen gingen allmählich zur Neige. Zwei Wochen lang stand ich jeden Tag am Schalter in Blantyre Schlange... Ich traf auf einen beleibten Beamten, der prall mit Geldscheinen gefüllte braune Umschläge entgegennahm und dafür Pässe aushändigte... Als ich am Nachmittag zurückkam, las der Beamte immer noch in seiner Zeitung, aber das Geld war weg und mein Pass fertig. Allerdings wies mein Name einen Rechtschreibfehler auf. Da stand ‚Samson Koni Kambalu‘ anstatt ‚Samson Kondwani Kambalu‘. Als ich den Beamten darauf aufmerksam machte, erwiderte er, er habe den Namen verkürzt, weil Koni sich besser anhöre. ‚Das ist mein Geschenk an dich, mein Freund‘, sagte er und blätterte seine Zeitung um.“ (S. 296/297) „Briefe von den Erben erfundener Magnaten oder von Ölbaronen-Witwen oder von Rechtsvertretern eingekerkerter Generäle“ Über die direkte Konfrontation mit der Korruption im nigerianischen Konsulat in New York berichtet Teju Cole in seinem Bestseller „Jeder Tag gehört dem Dieb“, Suhrkamp 2016: „Ich bin mental drauf vorbereitet, ihr [der Korruption] am Flughafen von Lagos zu begegnen, aber hier in New York trifft mich die dreiste Aufforderung zur Bestechung unvorbereitet.“ (S. 9–14) Über Korruption als soziales Schmiermittel in Nigeria schreibt Teju Cole ein paar Seiten weiter: „Er öffnet Türen und erhält dabei die Hierarchien. Fünfzig Naira für den Mann, der einem beim Ausparken hilft, zweihundert Naira für den Polizeibeamten, der einen mitten in der Nacht ohne ersichtlichen Grund anhält, zehntausend Naira für den Abfertigungsbeamten, der eine eingeführte Kiste durch den Zoll schleust. Für jede Transaktion die angemessene Summe, die die Dinge ins Rollen bringt. Wenn mir allerdings jemand Geld abverlangt, dessen Finger über dem Auslöser einer Kalaschnikow schwebt, ist das kein Trinkgeld mehr, sondern Lösegeld, doch das scheint außer mich niemanden zu bekümmern... Geld muss fließen, den Besitzer wechseln, das ist der Lauf der Dinge. Nur in Extremfällen haftet solchen Praktiken ein wirklicher Makel an, beispielsweise im Fall des kürzlich verurteilten Generalinspekteurs der Polizei. Tafa Balogun hatte Milliarden gestohlen und damit vielen Polizisten die Lebensgrundlage entzogen, was ein Grund dafür ist (wenn auch nicht der einzige), dass diese nun ihrerseits Autofahrer erpressen. Dabei stört es kaum jemanden prinzipiell, dass Balogun Geld unterschlagen hat. Ein hoher Regierungsbeamter, der öffentliche Mittel veruntreut, ist vollkommen normal. Verärgert sind die Leute darüber, dass er in so kurzer Zeit so viel genommen hat... Balgun wird der Unterschlagung von geschätzten vierzehn Milliarden Naira schuldig befunden und mit sechs Monaten Gefängnis bestraft. Sechs Monate – für etwas mehr als hundert Millionen Dollar. Dabei besteht kein Anlass zur Annahme, dass dies der drastischste Fall von Diebstahl war.“ (S. 20–25) Im Internet-Café geht es um „Vorkassebetrug“: „Wieder einmal sitze ich in einem Cyber-Café, lasse meinen Blick nach rechts wandern – dieses verstohlene Mitlesen wird schnell zur Gewohnheit – und sehe, dass der ‚Vorsitzende des Staatlichen Ölministeriums‘ einen Brief aufsetzt. Der Autor ist ein ungepflegt aussehender Mann, der ganz augenfällig Vorsitzender von gar nichts ist. Andere Briefe werden von den Erben erfundener Magnaten versendet oder von Ölbaronen-Witwen oder von Rechtsvertretern eingekerkerter Generäle, sie sind Beispiele origineller Erzählkunst, ihre Geschichten wiederholen sich in immer phantasievolleren Varianten, und wie im Märchen wird der beste Geschichtenerzähler reichlich belohnt... Ich frage Muyiwa, ob es überhaupt Festnahmen gibt, und er sagt, man könne recht häufig beobachten, wie ein Polizist einen Yahoo-Yahoo [so werden die Betrüger genannt] abführt. Er zerrt ihn hinaus, droht ihm mit Haft und Folter und verlangt schließlich ein hohes Bußgeld, um die fünfzigtausend Naira, also mehr als dreihundert Dollar. Das landet natürlich direkt in seiner Tasche.“ (S. 30–35) Noch ernüchternder ist sein Besuch im Nationalmuseum, das in einem erbärmlichen Zustand ist. „Ein paar Masken, einige mit Perlen verzierte Körbchen und eine Handvoll Figuren.“ Er stört sich „an der minderen Qualität der Ausstellungsstücke, die zudem dürftig dokumentiert sind.“ Eines der kostbarsten Kunstwerke, eine Büste aus dem 17. Jahrhundert, wurde bei einem Staatsbesuch von General Gowon in Großbritannien der Queen zum Geschenk gemacht. Dieselbe Büste, die dem Staat Nigeria in den 1950er Jahren als Raubgut zurückerstattet worden war (S. 77–86). Der Roman, der in Wahrheit ein gutes Reisebuch ist, unterhält und informiert in Episoden über den Alltag und Mentalität der Nigerianer in Lagos. Teju Cole, ein junger New Yorker mit nigerianischen Wurzeln, schildert kühl und präzise mit vielen feinen Details seine Streifzüge durch die Stadt. (Cole schreibt regelmäßig in den einflussreichen Publikationen „New Yorker“, „Atlantic“ und „New York Times Magazine“.) 5.000 Franc fürs Ignorieren einer roten Ampel, die es gar nicht gibt Janis Otsiemi aus Gabun beschreibt in seinem Kriminalroman „Libreville“, Polar Verlag 2017, eine alltägliche Szene aus Zentralafrika: „Bei dem Wort ‚Kriminalpolizei‘ entfuhr dem Taxifahrer ein langer Seufzer. Es war heute schon das zweite Mal, dass er von einem Uniformierten kontrolliert wurde. Vor einer Stunde hatte ihn ein Motorisierter von der Nationalgendarmerie angehalten. Der Gendarm hatte behauptet, dass er auf der Höhe des Flughafens eine rote Ampel überfahren hatte. Dabei gab es bis zum küstennahen Stadtteil Batterie IV gar keine Ampeln! Der Taxifahrer musste ihm 5.000 Francs in die Hand drücken, obwohl seine Papiere alle in Ordnung waren. Das war gängige Praxis. Abzocke durch Polizisten war in der Stadt zu einer regelrechten Plage geworden... Der Taxifahrer stützte seine Ellenbogen auf das heruntergekurbelte Fenster. Er blickte sich um und hielt Owoula drei 10.000er-Scheine hin. Der Polizist gab ihm seine Autoschlüssel und die Papiere zurück.“ (S. 31/34) Noch einmal Petina Gappah, die in „Im Herzen des Goldenen Dreiecks“, Arche 2020, schildert, wie man in Simbabwe zu einem neuen Namen und entsprechenden Papieren kommt. „Der Mann, der sich um uns kümmern sollte, lächelte bis über beide Ohren, als er fragte: Haben Sie mein Päckchen dabei? Kaum hatte Rambanai ihm den Umschlag ausgehändigt, öffnete er ihn, nahm das Bündel Scheine heraus, feuchtete seinen Finger mit der Zunge an und zählte das Geld wie ein Profi. Danach tätigte er einen Anruf. Während er Rambanai über Amerika ausfragte, kam ein junger Mann mit einem Umschlag herein, in dem die Geburtsurkunde von Langelihle Chantal Ndhlukula steckte, mit dem Geburtsdatum, das Rambanai diktiert hatte und das zwei Jahre nach ihrem richtigen Geburtstag lag… Unsere Visa erhielten wir am Ende genauso, wie Rambanai ihren Pass erhalten hatte, auf simbabwische Art – jemand kannte jemanden in der britischen Botschaft, dem wir Umschläge voll Bargeld überreichten.“ (Seiten 223–229) Chigozie Obiama erzählt in „Das Weinen der Vögel“, Piper 2019, die Geschichte des jungen Chinonso, einem Geflügelbauer, der studieren möchte: „Und Nigeria ist hart. Wie viele Leute, die keine Eltern haben, können studieren? Woher nimmst Du das Geld, um jemanden zu bestechen, egal wie gut Dein Zulassungstest war? Wovon willst Du die Studiengebühren bezahlen?" (S. 156) Der Roman ist tief verwurzelt in der Kultur der Igbo. Die Geschichte wird von Chinonsos Chi (seinem Schutzgeist, nach der Kosmologie der Igbo) erzählt. Auch Binyavanga Wainaina berichtet in den bereits erwähnten Erinnerungen „Eines Tages werde ich über diesen Ort schreiben “ über eine Begegnung auf dem Mombasa Airport mit der Staatsmacht: Ich hatte kein Zertifikat für die Gelbfieberimpfung. Eine Gruppe Beamter mit geröteten Augen hatte mich eingekreist, als ich mein Gepäck abholte. Ich versuchte mit ihnen zu reden, führte den Tod meiner Mutter ins Feld, appellierte an ihren Patriotismus, redete Swahili, rang die Hände, ah bana, bitte, sagte ich, den Kopf zur Seite neigend, Boss, Chief, Mkubwa, Mzee, Mamsap, Sir. Kein Nachgeben. Ein großer heruntergekommen aussehender Mann starrt mich einfach lächelnd an. Also griff ich in meine Tasche und gab ihm einhundert Dollar. Als er wegging, konnte ich hören, wie sie hinter mir hämisch grinsten.“ (S. 257) Oftmals habe ich in Afrika folgende Erklärung gehört, die David Signer im Tagesanzeiger-Online, Zürich, am 5.9.2020 treffend zu Papier gebracht hat: „Sparen, Kapital anlegen, investieren – das widerspricht den traditionellen sozialen Normen und Zwängen. Die Senegalesen schimpfen zum Beispiel gerne darüber, dass alle Läden den Libanesen gehören. Tatsache ist, dass sie selber keine Läden eröffnen, weil dann alle Verwandten und Möchtegern-Verwandten kommen und sagen, hey, gib mir doch einen solchen Ventilator, du hast ja 100 davon hier, das tut dir nicht weh. Das verträgt sich natürlich nicht mit einer funktionierenden Marktwirtschaft. Auch neue Präsidenten gelten oft als Hoffnungsträger, die mit der Misswirtschaft aufhören. Dann vergeht ein Jahr, und der erste Korruptionsskandal taucht auf. So wie ein erfolgreiches Familienmitglied alles Erwirtschaftete verteilen muss, so gilt das erst recht für Minister und Präsidenten. Sie haben oft eine riesige Verwandtschaft im Rücken, die alle ihren Teil abbekommen wollen. Für sie ist das völlig normal und hat nichts mit Korruption zu tun. Im Gegenteil: Es wäre unmoralisch, es nicht zu machen. Denn es würde heißen, er hat vergessen, woher er kommt.“