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Pour une autre politique de développement!

Beitrag vom 18.03.2010

Die Welt

Ist Afrika doch noch zu retten?
Von Jeffrey Gettleman

Der Ökonom Jeffrey Sachs zeigt in ausgewählten Dörfern, was mit Bildung und Technologie machbar ist - Kritiker werfen ihm Naivität vor

Sauri - In den vergangenen fünf Jahren hat sich das Leben in diesem von Büschen bewachsenen kleinen Fleckchen Kenias dramatisch verbessert. Die landwirtschaftlichen Erträge haben sich verdoppelt, die Kindersterblichkeit ist um 30 Prozent gesunken. Die Zahl der Kinder, die zur Schule gehen, ist kräftig gestiegen; die Ergebnisse in den Klassenarbeiten haben sich stetig verbessert. Und Handys gibt es inzwischen vier Mal so viele. Das Gefühl des Aufbruchs ist in den matschigen Gassen und den Hütten, umschlossen von duftenden Wandelröschenbüschen, geradezu greifbar. Menschen, die seit Generationen Bananen angepflanzt haben, lernen jetzt, Welse zu züchten. Frauen, die panische Angst vor Bienen hatten, beruhigen sie nun mit Rauch und ernten den Honig. "Ich habe gedacht: 'Afrikanische Killer-Bienen - kommt gar nicht infrage.' Aber jetzt bin ich eine Imkerin", sagt Judith Onyango mit sichtbarem Stolz.
Sauri war eines der ersten von inzwischen mehr als 80 Millennium-Dörfern in Afrika, ein Vorzeigeprojekt von Jeffrey Sachs. Der Ökonom an der New Yorker Columbia-Universität umgibt sich mit Spitzenleuten: Bono, beide Bills (Clinton und Gates), Investor George Soros, UN-Generalsekretär Ban Ki-moon, dessen Vorgänger Kofi Annan und anderen. Sachs will zeigen, dass fokussierte, technologiebasierte und relativ unkomplizierte Programme, die gleichzeitig an mehreren Fronten ansetzen - Gesundheitsversorgung, Bildung, Ausbildung - die Menschen schnell aus der Armut befreien können.
In Sauri zumindest scheint das zu funktionieren. Zum Beispiel der Kampf gegen Malaria, die mehr als eine Million Kinder pro Jahr tötet. Bei Verdacht auf die Krankheit entnehmen Mitarbeiter des Gesundheitsteams eine Blutprobe und schicken per Handy eine Kurznachricht mit den Blutdaten an einen Computerserver in die nächste Stadt. Im Fall des kleinen Patrick kam folgende SMS zurück: "Kind 81665 OKOTH Patrick m/16m hat MALARIA. 1 Tablette Coartem zwei Mal täglich, drei Tage lang."
Diese kleinen Wunder passieren täglich im Siedlungsgebiet Sauri mit seinen 65 000 Einwohnern. Aber die Frage bleibt: Kann man Resultate wie diese um das 10 000-Fache vergrößern, um damit die Armut in Entwicklungsländern auszulöschen? Hunderte von Millionen von Dollar hängen an dieser Frage, denn die Länder Afrikas und die westlichen Geber verfolgen die Daten aus den Millennium-Dörfern ganz genau. Kollegen loben Sachs' Engagement. "Wir brauchen Jeff", sagt Nancy Birdsall, Präsidentin des Zentrums für Globale Entwicklung (CGD) in Washington. "Seine Kombination aus Leidenschaft und analytischer Scharfsinnigkeit ist wichtig für die Entwicklung."
Es gibt auch Sachs-Kritiker. Einer der hartnäckigsten ist William Easterly, ein ehemaliger Weltbank-Ökonom und Autor des Buches "Wir retten die Welt zu Tode". Easterly argumentiert, der Millennium-Ansatz würde im größeren Maßstab nicht funktionieren, denn dann würde er "sofort auf die Probleme stoßen, über die wir alle die ganze Zeit sprechen: Korruption, schlechte Führung, Politik nach Ethnien". Sachs versuche, "eine Insel des Erfolgs inmitten eines Meeres des Scheiterns zu schaffen, und vielleicht hat er das sogar geschafft, aber er kümmert sich nicht um das Meer des Scheiterns".
Man kann sich beispielsweise leicht vorstellen, was in Kenia, wo Korruption quasi ein Nationalsport ist, passieren würde, wenn es so ein Programm für kostenlosen Dünger wie in Sauri im ganzen Land gäbe. Der Dünger würde sein Ziel mit größter Wahrscheinlichkeit nie erreichen, sondern irgendwo verschwinden - wie die Getreidereserve während einer Hungersnot 2008 oder die Milliarden an Entwicklungshilfe, die nach diversen Berichten von Menschenrechtsorganisationen und Finanzaufsehern in den Taschen kenianischer Politiker landeten. Sachs gibt zu, dass er nicht alle Probleme lösen kann. Um in Kenia die Armut landesweit abzuschaffen, müssten die politischen Führer die Infrastruktur und die Industrie in den Städten deutlich verbessern, sagt Sachs. "Worauf wir uns konzentrieren, ist etwa ein Drittel des Problems."
Eine andere Kritik lautet, Sachs werte seine Programme nicht in streng wissenschaftlicher Weise aus. Viele Entwicklungsexperten sind der Ansicht, man könne nur dann feststellen, ob sich die Ausgaben für die Millennium-Dörfer (etwa 110 Dollar pro Person jährlich) rechnen, wenn man Kontrolldaten aus ähnlichen Dörfern sammelt, die keine Hilfe bekommen. Aber Sachs erwidert, dass "Millennium-Dörfer sich nicht so entwickeln, wie man eine neue Pille testet". Außerdem wolle er nicht Dorfbewohner mit Fragen bombardieren, um dann zu gehen ohne zu helfen.
Schmerzhaft ist für Sachs die Distanz der amerikanischen Öffentlichkeit. "Die Stimmung ist derzeit sehr anti Entwicklungshilfe, die Verbindung zwischen den Punkten wird nicht hergestellt", sagt Sachs, um eine Diskussion über die Verbindung von Armut und Terrorismus zu beginnen. Vor einigen Jahren sei er aus dem Jemen zurückgekehrt, in letzter Zeit zunehmend ein Rückzugsgebiet für al-Qaida. Er habe Mitarbeitern der amerikanischen Behörden erzählt, wie das Land an Hunger, Wasserknappheit, Krankheit und Armut zerbreche und sich immer mehr dem Abgrund nähere. "Ich habe unserer Regierung all das erzählt, aber ich habe nur ungläubige Blicke geerntet."