Beitrag vom 03.10.2012
FAZ
Weltbank warnt vor Mindestlohn
Niedriglöhne "Vorteil der Armut" in Entwicklungsländern
pwe. WASHINGTON, 3. Oktober. Entwicklungspolitik darf sich nicht nur auf das Wirtschaftswachstum konzentrieren, sondern muss auch Arbeitsplätze in den Blick nehmen. Das ist die Kernbotschaft des neuen Weltentwicklungsberichts der Weltbank. "Arbeitsplätze selbst treiben die wirtschaftliche Entwicklung," sagte Kaushik Basu, der neue Chefökonom der Weltbank, vor Journalisten in Washington. Nach Schätzungen der Weltbank suchen derzeit 200 Millionen Menschen auf der Welt nach einem Arbeitsplatz. 620 Millionen Jugendliche, die Mehrzahl Frauen, arbeiteten nicht und suchten auch keine Stelle. Die Weltbankökonomen schätzen, dass in den kommenden 15 Jahren rund 600 Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen werden müssten.
"90 Prozent aller Stellen entstehen im privaten Sektor", erklärte der Weltbankpräsident Jim Yong Kim. "Regierungen müssen eine starke Rolle spielen, um die Bedingungen zu schaffen, die Investitionen gerade in kleinen und mittelgroßen Unternehmen ermutigen." Die Weltbank betont, dass es in der Arbeitsmarktpolitik keine Ideallösung gebe. Was in einem Land funktioniere, wirke in anderen Ländern unter anderen Umständen nicht. Klare Empfehlungen finden sich in dem Bericht folglich kaum.
Die Weltbank mahnt unter anderem, dass Entwicklungsländer die Ballungsvorteile von Städten nutzen sollten. Arbeitsmarktregulierungen seien in Entwicklungsländern hingegen häufig wirkungslos. Andererseits empfiehlt die Weltbank ausdrücklich, dass Regierungen diejenigen Arbeitsplätze fördern sollten, die die Wirtschaft besonders voranbringen. "Manche Arbeitsplätze leisten mehr für die Entwicklung als andere", heißt es. In schweren wirtschaftlichen Krisen oder bei einem heftigen Strukturwandel sei es auch sinnvoll, Arbeitsplätze durch staatliche Interventionen oder Subventionen zu retten. Solche Interventionen seien aber zu befristen, um den Wandel nicht zu blockieren.
Der indische Ökonom Basu, der am Montag seine Stelle als Chefökonom der Weltbank angetreten hatte, betonte, dass mit der Globalisierung der Arbeitsmärkte auch die Herausforderungen für die Industriestaaten zunähmen. Er riet zur Vorsicht vor Forderungen aus industrialisierten Volkswirtschaften nach besseren Arbeitsbedingungen und -standards in Entwicklungsländern. Als "Vorteil der Armut" seien die Löhne in Entwicklungsländer niedriger als anderswo, sagte Basu. Daran dürfe man nicht mit hohen Mindestlöhnen rütteln.