Aller au contenu principal
Pour une autre politique de développement!

Beitrag vom 15.01.2014

Neue Zürcher Zeitung

Afrikanische Gerüchte

In Kamerun gehen die Penisdiebe um

David Signer

Seit Jahren terrorisieren Penisdiebe mehrere Länder Afrikas, wenn man den Gerüchten Glauben schenken darf. Der letzte Fall trug sich kürzlich in der Stadt Nkongsamba in Kamerun zu - laut einschlägigen Blogs. Ein Unbekannter machte dort die Runde und schüttelte mehreren Männern die Hand, die kurz darauf merkten, dass ihr bestes Stück verschwunden oder zumindest geschrumpft war. Ein junger Mann verprügelte den Verdächtigen mit einem Knüppel. Glücklicherweise intervenierte die Polizei und konnte den Mann noch retten. «Stimmt die Geschichte?», lautet das Ende des Blog-Eintrags. «Nur die Untersuchungen der Polizei werden uns darüber Aufschluss geben können.»

Solche Geschichten hört man seit Jahren in Afrika, vor allem in Nigeria, aber auch in andern Ländern. Die Polizei geht den Fällen im Allgemeinen gewissenhaft nach, gemeinhin stellt sich heraus, dass alles noch an seinem Platz ist und die Furcht unbegründet war. Oft aber kommt die Polizei zu spät, nachdem der «Übeltäter» schon gelyncht worden ist. In Senegal gab es Fälle von Massenpanik mit mehreren Toten. Julien Bonhomme, ein französischer Ethnologe, hat 2009 ein Werk zu dem bizarren Phänomen veröffentlicht: «Les voleurs de sexe. Anthropologie d'une rumeur africaine». Wie im Falle des afrikanischen Hexereiglaubens stellt er fest, dass die Penisdiebe nicht ein Überbleibsel von altem, ländlichem Aberglauben, sondern ein modernes, eher städtisches Phänomen sind. Die Leute gehen davon aus, dass sich der Täter auf eine magische Art die Lebenskraft des Opfers aneignen will.

Bonhomme stellt fest, dass im subsaharischen Afrika Männlichkeit eng verbunden ist mit wirtschaftlichem Erfolg. Wegen der verbreiteten Arbeitslosigkeit können viele junge Männer keine Familie gründen und werden nicht als Erwachsene ernst genommen. Der drohende Statusverlust macht sich am Phantasma vom verlorenen Glied fest. Schliesslich sprach schon Freud von Kastrationsangst. Auch in Afrika äussert sich die Furcht vor sozialem Absturz, vor dem Verlust des männlichen Prestiges, vor dem Nichts auf denkbar konkrete Art.