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Pour une autre politique de développement!

Beitrag vom 20.10.2018

FAZ

Mobilfunk für Botswana

Mission Afrika: Bill Gates besucht die TU Berlin

von Gerald Wagner

Afrika ist das Schmuddelkind der Weltgesellschaft. Das unterstreicht noch jeder Appell, afrikanische Länder endlich einmal differenziert zu betrachten. Selbst jene vorbildlichen, weil differenzierten Erfolgsgeschichten einzelner afrikanischer Staaten ändern daran wenig, da auch sie stets auf die Finsternis darum herum verweisen. Wer dennoch an Afrika glauben will, muss über unerschütterliche Gleichmut verfügen. Bill Gates und Gerd Müller sind solche Stoiker. Der eine, weil er quasi biographisch von der Weltöffentlichkeit die Rolle des Weltverbesserers verliehen bekommen hat; der andere, weil er qua politischem Mandat als Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung den Deutschen die Angst vor Afrika und seinen migrationsbereiten Massen zu nehmen hat.

Als Bill Gates an diesem Abend an der TU Berlin die Bühne betritt, wird klar, dass der mit einem geschätzten Vermögen von rund neunzig Milliarden Dollar zweitreichste Mensch der Welt für seine Garderobe nur wenig Geld übrig hat. Gates versinkt mit seinem mindestens zwei Nummern zu großen Anzug fast im Sessel, nur das verschmitzte Gesicht mit dem Buddha-Lächeln und den wachen Augen ragt heraus. Wenn Gates von den technischen Innovationen spricht, die Afrika retten werden, gestikuliert er lebhaft. Seine Begeisterung ist entwaffnend. Der Milliardär, der in seinem Herzen ein Tech-Nerd geblieben ist, reißt das studentische Publikum tatsächlich mit. Gates hat das Aussehen eines Buchhalters, aber das Charisma eines globalen Superstars. Etwas verkniffen hat ihn TU-Präsident Christian Thomsen zuvor als einen Harvard-Drop-out angekündigt, der eigentlich kein Vorbild für seine Studenten sei. Nach diesem Höhepunkt präsidialer Ironie gab Thomsen die Bühne für Müller und Gates frei, die ihr Gespräch den „Innovationspotentialen in Afrika“ widmeten.

Der Erfolg der politischen Rede hängt von Überzeugungskunst ab. Der Politiker muss werben, weil er es ja nicht alleine kann. Das ist der größte Unterschied zum philanthropischen Milliardär: Der muss seine Ideen nicht per Crowdfunding finanzieren, er braucht eigentlich gar keine Akklamation seines Gestaltungswillens. Er lässt sich einfach überzeugen und zahlt dann. Und wenn das eine nicht gelingt, zahlt man eben etwas anderes. Wobei Stiftungen wie die von Bill und Melinda Gates mit ihren nahezu unerschöpflichen Mitteln eher vor dem Problem stehen, verlässliche Empfänger zu finden. Dennoch verkörpert Bill Gates so etwas wie die Utopie der finanziell unbegrenzten Individualität – und so ziemlich das Gegenteil von Gerd Müller. Dessen Etat von jährlich rund 9,5 Milliarden Euro ist nicht nur bescheiden im Vergleich zum Gesamthaushalt des Bundes, bescheiden ist er vor allem, weil Müller ja für die Probleme eines ganzen Kontinents zuständig ist. Die Frage, was uns Afrika eigentlich angeht, kann er nur rhetorisch stellen. Müller muss verbinden, er muss beschwören, dass uns Afrika furchtbar viel angeht. Denn: Wenn wir die Probleme Afrikas nicht lösen, so Müller, dann kommen diese Probleme zu uns!

Das Gespenst der Migration beherrscht also auch diesen Abend. Darin zeigt sich das grundsätzliche Dilemma einer deutschen Entwicklungspolitik, die nicht nur wie jede Entwicklungspolitik unter Geldmangel leidet, sondern unter einem Glaubwürdigkeitsproblem. Denn was ist Afrika denn nun: ein Anlass zur Furcht oder zur Euphorie? Geschmeidig bedient sich Müller mal dieser, mal jener Ressource seiner Afrika-Erzählung. Einmal ist Afrika der Kontinent, der seine Bevölkerung bis 2050 verdoppeln und einen ungeheuren Migrationsdruck entfalten wird. Dann ist Afrika wieder der riesige „Chancenkontinent“, der uns „in Sachen Digitalisierung“ schon bald überholen werde. „Ich komm gerade aus Botswana“, so Müller, da sei der Handy-Empfang schon besser als in Berlin und Brandenburg. Es brauchte nur einen gerechten Zugang zu Bildung in Afrika, dann würden sich auch dort die Probleme auflösen.

Handys und Schulen: Man wundert sich dann doch fast, warum eigentlich kein Migrationsdruck von Europa auf Afrika ausgeht. Wir brauchen eine gerechte Globalisierung, ruft Müller. Er aber hat den hartleibigen Finanzminister der SPD im Nacken. Machen Sie mal Druck, ermuntert Müller die Studenten. Er müsse bei Scholz um jeden Cent betteln! Bill Gates schüttelt dazu mitleidig den Kopf.