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Beitrag vom 06.12.2018

FAZ

Armes, reiches Kupferland

In Sambia regt sich Unmut über den Einfluss Chinas. Mittlerweile scheint sogar der staatliche Stromerzeuger vor der Übernahme zu stehen. Von Thilo Thielke

LUSAKA/KITWE, im Dezember

Steh auf und singe von Sambia, stolz und frei“, heißt es stolz in der Nationalhymne, die sich das Land nach der Unabhängigkeit von der britischen Krone 1964 gab. Stolz und frei! Boniface Cheembe verzieht den Mund. „Das Land gehört doch heute praktisch den Chinesen“, meint er, die meisten Sambier wünschten sich inzwischen sogar die Engländer zurück. Cheembe ist stellvertretender Direktor des Südafrikanischen Zentrums für Konfliktlösung und Dozent an der Universität der sambischen Hauptstadt Lusaka. Sein Spezialgebiet sind Regierungsführung, Menschenrechte, Checks and Balances. Schlecht stehe es um sein Land, sagt Cheembe: „Es ist hochverschuldet und korrupt bis ins Mark.“

Im September bereits hatten die Regierungen von Großbritannien, Finnland, Irland und Schweden ihre Zahlungen für das sogenannte „Social Cash Transfer Programme“ eingefroren, mit dessen Hilfe armen Sambiern geholfen werden sollte. Insgesamt waren rund 4,7 Millionen Dollar an britischem Steuergeld verschwunden. Daraufhin erklärten die früheren Kolonialherren, sie verfolgten eine Null-Toleranz-Politik gegenüber Korruption und Diebstahl. Nur die Bundesregierung zahlt fleißig weiter, obwohl etliche Bundestagsabgeordnete der FDP das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung aufforderten, es den EU-Partnern gleichzutun und „konsequent europäisch und solidarisch“ zu handeln.

Allein für den Zeitraum zwischen 2016 und 2018 hat das deutsche Entwicklungshilfeministerium 97,5 Millionen Euro Steuergeld über Sambia, einem Land mit rund 17 Millionen Einwohnern, ausgeschüttet. Einen Grund, etwas an der deutschen Großzügigkeit zu ändern, sieht Berlin nicht, schließlich würden nur ausgewählte Programme unterstützt, die von der Kreditanstalt für Wiederaufbau und der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit geleitet würden. Auf der Homepage des Ministeriums finden sich nur lobende Worte: „Sambia hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einer politisch weitestgehend stabilen Republik entwickelt, in der mehr als 70 verschiedene Ethnien weitgehend friedlich zusammenleben.“ Bemerkenswert seien „die umfassend gewährte Religionsfreiheit und die großzügige Flüchtlingspolitik“.

Boniface Cheembe kann die Briten verstehen. „Denen ist verständlicherweise irgendwann der Kragen geplatzt“, sagt er. Cheembe findet es absurd, „dass Steuerzahler aus dem Vereinigten Königreich den Sambiern das Bildungs- und Gesundheitssystem finanzieren sollten, während sich deren Führer vom gestohlenen Geld Villen in Kensington kaufen“. Doch die Briten sind nicht die Einzigen, die in den letzten Wochen die Reißleine zogen. Kurz zuvor hatte der Internationale Währungsfonds Gespräche mit der sambischen Regierung über einen Kredit in Höhe von 1,3 Milliarden Dollar abgebrochen. Dabei geht es um die verdeckten Schulden des Landes.

Offiziell spricht die Regierung von Präsident Edgar Lungu von rund 9,3 Milliarden Dollar Schulden, die das Land drückten. Experten wie John Musondo vom Labour Institute of Zambia halten die Last aber für mindestens doppelt so hoch. „Wir gehen davon aus, dass zu diesen 9,6 Milliarden Dollar noch sechs Milliarden Dollar Schulden bei den Chinesen kommen und fünf Milliarden interne Schulden bei Geldinstituten“, sagt Musondo: „21 Milliarden Dollar Schulden bei einem Bruttoinlandsprodukt von weniger als 26 Milliarden Dollar – Sambia ist so gut wie pleite.“ Und das, obwohl dem Land gemeinsam mit 29 anderen afrikanischen Staaten erst vor einigen Jahren sämtliche Schulden erlassen worden waren.

Seit zehn Jahren gehe es mit Sambia, immerhin dem zehntgrößten Kupferproduzenten weltweit, stetig bergab, meinen Cheembe und Musondo. Damals erlitt der Präsident Levy Mwanawasa während einer Konferenz der Afrikanischen Union einen Schlaganfall und starb wenig später im französischen Militärkrankenhaus Percy. Mwanawasa galt als entschiedener Kämpfer gegen die Korruption. Zudem verstand er es, sein Land für die von Robert Mugabe aus Zimbabwe vertriebenen weißen Farmer attraktiv zu machen. Rund dreihundert von ihnen kamen über den Sambesi ins nördliche Nachbarland, bauten dort eine kommerzielle Landwirtschaft auf und sorgten dafür, dass Sambia binnen kurzer Zeit vom Lebensmittelimporteur zum -exporteur aufstieg.

„Das Dilemma war, dass die wohlhabenden Länder Sambia damals als einen Musterstaat betrachteten, der auf dem Sprung zum Schwellenland war“, so Boniface Cheembe, „deshalb zogen sie sich zurück und wandten sich Ländern zu, von denen sie glaubten, dass sie Hilfe von außen nötiger brauchten.“ Nach dem Tod Mwanawasas jedoch sei in Lusaka eine Reihe von Kleptokraten an die Macht gekommen, die das Land schnell wieder heruntergewirtschaftet hätten. Eine „ungeschickte und bestechliche Elite“ habe sich Sambias bemächtigt, schrieb das britische Wochenmagazin „Economist“, und Kredite, die seit dem Schuldenschnitt wieder großzügig gewährt wurden, „dazu genutzt, sich die eigenen Taschen zu füllen“.

Die Liste von Beispielen dafür, wie der Staat von seinen obersten Vertretern ausgeplündert wird, ist lang. Von Feuerwehrautos, die offiziell mit einer Million Dollar pro Stück taxiert wurden, in Wirklichkeit aber nur 250000 gekostet haben sollen, weiß Wesley Chibamba, der Leiter des örtlichen Büros von Transparency International, zu berichten. Die Kosten für Krankenwagen wurden mit 270000 Dollar pro Stück statt mit weniger als 100000 Dollar angegeben.

Den Verlust, der durch Korruption allein im Jahr 2017 in Sambia entstanden ist, schätzt Chibamba auf 4,5 Milliarden Dollar. Seit 2000 unterhält die Berliner Organisation, die sich dem weltweiten Kampf gegen die Korruption verschrieben hat, ein Büro in Lusaka; seit 2010 ist der jetzt 39 Jahre alte Chibamba dabei. Vorher hatte er für das sambische Finanzamt gearbeitet. Dann wollte er nicht länger vor den krummen Geschäften des Staats die Augen verschließen müssen und wechselte die Seiten. Besser sei es seitdem nicht geworden, klagt er. Überall werde gestohlen, und weil es kein Gesetz gebe, das die Regierung zur Auskunft über ihre Finanzen verpflichte, könne viel unter den Teppich gekehrt werden.

Er kennt noch andere Geschichten, wie das Geld, das in dem armen Land bitter nötig wäre, verschwindet. Ein Kilometer Straße kostet in Sambia beim Bau offiziell plötzlich doppelt so viel wie in den Nachbarländern. Und der neue Flughafen in Lusaka soll rund 360 Millionen Dollar kosten – dabei, schätzen Experten, hätte man den wohl auch für rund 100 Millionen weniger errichten können. Das Geld für den Kenneth Kaunda International Airport kommt, wie so oft in letzter Zeit, von der Exim Bank of China. Landen tut es nicht selten in den Taschen der staatlichen Räuber. Das eine hängt mit dem anderen zusammen: „Nachdem der Westen sich zurückgezogen hat, ist China auf den Plan getreten und hat sich als großzügiger Geldgeber gezeigt“, sagt Cheembe. Und je weiter sich der Westen nun zurückzieht, desto mehr Freiraum lässt er den neuen Investoren. Mittlerweile sei die Abhängigkeit jedoch so groß, dass die Chinesen ganze Industrien übernähmen.

Die Verbindungen zwischen Sambia und China sind alt. In den siebziger Jahren bauten Maos Brigaden die legendäre Tansam-Bahn zwischen Kapiri Mposhi im sambischen Kupfergürtel und der tansanischen Hafenstadt Daressalam. Damals herrschte der Kalte Krieg auch in Afrika. Sambia unter der Führung des sozialistischen Christen Kenneth Kaunda war ein Frontstaat. Im Süden herrschten die Rhodesier von Premier Ian Smith bis zum Ende des Unabhängigkeitskampfs im Jahr 1979. Im Osten (Moçambique) und im Westen (Angola) hielten die Portugiesen noch bis 1975 als Kolonialmacht die Stellung. Das heutige Namibia wurde als Südwestafrika sogar bis 1990 vom Burenstaat kontrolliert.

Weil Sambia über gewaltige Kupfervorkommen, aber keinen eigenen Zugang zum Meer verfügt, errichteten die Chinesen eine 1860 Kilometer lange Verbindung zum Hafen des roten Bruderstaats Tansania, dessen damaliger Präsident Julius Nyerere hieß. Schon damals zeigten sich die Afrikaner vom Tempo der Rotchinesen beeindruckt, die die Bahn durch den Busch in gerade einmal vier Jahren fertiggestellt hatten. Doch auch damals schon herrschte Sorge vor den eigentlichen Zielen der Gäste aus Fernost, galt doch im Reich der Mitte das Credo des ehemaligen Mao-Vertrauten Lin Piao: „Afrika muss dazu beitragen, das kapitalistische Europa und Nordamerika zu umzingeln und zu zerstören.“

Als Sambia begann, in den neunziger Jahren seine Kupferminen zu privatisieren, schlugen die Chinesen abermals zu. 1998 erwarb die China Nonferrous Metals Corporation für den Spottpreis von zwanzig Millionen Dollar einen 85-Prozent-Anteil an der Chambishi-Mine. „Mittlerweile arbeiten 11000 Chinesen in der sambischen Minenindustrie“, sagt George Mumba, der Generalsekretär der Mineworkers Union of Zambia. Probleme habe es von Anfang an gegeben. Am 20. April 2005 explodierte in der Chambishi-Mine ein Sprengstofflager, Dutzende Menschen starben; schon damals gab es Proteste gegen den wachsenden Einfluss der Asiaten. „Niemand bezahlt die Minenarbeiter so schlecht wie die Chinesen“, klagt Mumba. Zudem lasse die Sicherheit am Arbeitsplatz immer zu wünschen übrig. „Die Chinesen haben hier in Windeseile alles umgekrempelt“, hat Mumba beobachtet. Mumba hat keinen Zweifel, dass es sich bei ihnen um eine „neue Kolonialmacht“ auf dem Kontinent handelt.

Insgesamt seien im sambischen Minensektor 82000 Menschen beschäftigt, und der chinesische Anteil damit immer noch relativ klein. Doch beobachteten die Sambier in zunehmendem Maße, wie sich die Chinesen in dem afrikanischen Land auch als Siedler niederließen. So seien die meisten der chinesischen Arbeiter, die vor einigen Jahren das Levy-Mwanawasa-Stadion in der Stadt Ndola gebaut hätten, einfach im Land geblieben und schlügen sich nun als Händler durch. Überall sieht man den chinesischen Einfluss im Stadtbild. An jeder Ecke finden sich chinesische Shopping-Malls und China-Restaurants. Erst als kürzlich die Tageszeitung „Times of Zambia“ einen Teil auf Mandarin veröffentlichte, kam es zu Protesten.

Den Zorn auf die Chinesen kann man auch auf dem riesigen Soweto-Markt in Lusakas Zentrum spüren. Gemeinsam mit ihren Brüdern betreibt die 25 Jahre alte Brenda Nkhafa einen Stand, auf dem sie Hühner aus der eigenen Zucht verkauft. Für ein lebendes Huhn nimmt Nkhafa 60 sambische Kwacha, umgerechnet etwas weniger als 4,50 Euro. Ungefähr 30 bis 40 Hühner verkauft die Familie am Tag. „Seit die Chinesen aufgetaucht sind, ist das Geschäft aber in Gefahr“, klagt die junge Frau. Jeden Morgen ab zwei Uhr früh kämen die Chinesen mit Lastwagen, karrten Hühner aus von ihnen selbst betriebenen Hühnerfabriken heran und versuchten, das Federvieh für einen Stückpreis von 20 bis 25 Kwacha unter das Volk zu bringen. Auf den Markt trauen sie sich wegen des Widerstands der Einheimischen nicht mehr. Sie steuern nun direkt Wohnsiedlungen an und versuchen, ihre Ware dort loszuschlagen.

Aufsehen erregte vor kurzem ein Bericht des Afrika-Newsletters Africa Confidential. „Es gibt bereits Gespräche darüber, dass der staatliche Stromerzeuger Zesco in die Hände einer chinesischen Firma übergeht“, heißt es in dem Artikel unter der Überschrift „Bonds, Rechnungen und immer mehr Schulden“, „der staatliche Fernseh- und Radiosender ZNBC hat bereits einen chinesischen Besitzer.“ Es handele sich „um den größten Verlust von nationaler Souveränität seit der Unabhängigkeit“. Nicht nur der Weltwährungsfonds, auch die Vereinigten Staaten hätten mittlerweile die Sorge, dass es chinesische Strategie sein könne, „Länder erst zu ermutigen, sich zu verschulden, und ihnen, wenn sie nicht mehr zahlungsfähig sind, strategisch wichtige Güter abzunehmen“. Auch wenn das Staatsziel nicht mehr Weltrevolution heißt – gut möglich, dass Lin Piaos Geist noch quicklebendig ist.