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Beitrag vom 12.12.2018

FAZ

Ein armes Volk in einem reichen Land

Kurz vor der Wahl eines neuen Präsidenten in Kongo wächst die Angst vor Gewalt. Amtsinhaber Kabila nimmt nicht teil – will aber weiter die Fäden ziehen. Von Thilo Thielke

KAPSTADT, 11. Dezember. Die Präsidentenwahl, die am 23. Dezember in Kongo stattfinden soll, könnte das Land in einen neuen Bürgerkrieg stürzen, warnt Friedensnobelpreisträger Denis Mukwege. Kurz vor der Verleihung der Auszeichnung am Montag in Oslo sagte der Gynäkologe der Nachrichtenagentur Reuters, es gebe „sehr wenig Vorbereitung auf die Durchführung der Wahlen, aber sehr viel militärische Vorbereitung“ in Kongo. Er sei besorgt, „dass die Wahlen nicht frei, fair, glaubwürdig und friedlich“ abgehalten und die sich betrogen fühlenden Wähler das Resultat später nicht akzeptieren würden.

Der 63 Jahre alte Mukwege ist ein Held in seiner Heimat. 1996 gründete er in Bukavu das Panzi-Krankenhaus. Seitdem hat der Mediziner dort Zehntausende von Frauen behandelt, von denen die meisten von Milizen vergewaltigt wurden. Auch in seiner Preisrede machte er auf das Leid in seinem von Bürgerkriegen gebeutelten Land aufmerksam. Das kongolesische Volk werde „seit mehr als zwei Jahrzehnten vor den Augen der internationalen Gemeinschaft gedemütigt, misshandelt und massakriert“. Dank der Massenmedien und des Internets könne „heute niemand sagen: Ich wusste es nicht.“ Mit der Entgegennahme des Friedensnobelpreises bitte er die Welt „eindringlich, gemeinsam mit uns das Leiden zu beenden, das unsere gemeinsame Menschheit beschämt. Die Menschen in meinem Land brauchen dringend Frieden.“ Eigentlich, so Mukwege, sei der mit Bodenschätzen wie Diamanten, Gold oder Coltan gesegnete Kongo „eines der reichsten Länder der Erde“. In ihm lebe aber „dank der organisierten Plünderung“ der Ressourcen „eines der ärmsten Völker“.

Seit 1996 flackern in Kongo immer wieder Kämpfe auf. Besonders schlimm wüten bewaffnete Banden im Osten, wo es gerade erst wieder neun Tote bei einem Angriff der aus Uganda operierenden islamistischen Miliz „Alliierte Demokratische Kräfte“ gab. Durch die Folgen der Kampfhandlungen sollen Millionen Menschen ihr Leben verloren haben.

Die Wahl eines neuen Präsidenten hätte schon vor zwei Jahren stattfinden sollen. Allerdings ließ der amtierende Staatspräsident Joseph Kabila, 47 Jahre alt, diese immer wieder verschieben. 2001 hatte er seinen ermordeten Vater Laurent-Désiré im Amt beerbt. Seitdem wurden ihm und seiner Entourage Menschenrechtsverletzungen zur Last gelegt, und ihnen wurde vorgeworfen, die Bodenschätze des Landes auszuplündern. Daran, dass es bei den Wahlen mit rechten Dingen zugehen wird, bestehen seit geraumer Zeit erhebliche Zweifel. Die wichtigsten Oppositionskandidaten waren gar nicht erst zugelassen worden. So wurde der ehemalige Warlord und Häftling des Haager Strafgerichtshofs, Jean-Pierre Bemba, ausgeschlossen, weil er vor Gericht Zeugen bestochen haben soll. Dem ehemaligen Katanga-Gouverneur Moïse Katumbi, der vor einigen Jahren ins italienische Exil geflüchtet war, wurde gar nicht erst erlaubt, in sein Heimatland zurückzukehren.

Ursprünglich wollten sich die Führer diverser Oppositionsparteien auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen, um die Chance auf einen Sieg über die Regierungspartei „Volkspartei für Wiederaufbau und Demokratie“ (PPRD) zu erhöhen. Sie entschieden sich für den weithin unbekannten Martin Fayulu, Chef der Partei „Engagement für Bürgerlichkeit und Entwicklung“. Allerdings hielt der Kompromiss nicht lange, und der 55 Jahre alte Felix Tshisekedi, Führer der größten Oppositionspartei „Union für Demokratie und sozialen Fortschritt“, scherte aus und erklärte seine eigene Kandidatur. Tshisekedi ist Spross einer Politikerfamilie. Sein Vater Étienne Tshisekedi gewann bei den Wahlen 2011 gegen Kabila 32 Prozent der Stimmen. Auch der 59 Jahre alte Oppositionspolitiker und Wirtschaftswissenschaftler Vital Kamerhe von der „Union für Demokratie und sozialen Fortschritt“ verkündete daraufhin, selbst ins Rennen um den Präsidentenposten zu gehen.

Zum Kandidaten von Kabilas Partei wurde der 58 Jahre alte Emmanuel Ramazani Shadary gekürt. Er gilt als Marionette und ist als Innen- und Sicherheitsminister für brutale Polizeieinsätze verantwortlich. Für den unverhältnismäßigen Einsatz von Gewalt unter anderen gegenüber Oppositionellen wurde er schon 2016 und 2017 auf eine Sanktionsliste der Europäischen Union gesetzt. Am Montag verlängerte die EU die Strafmaßnahmen gegen Shadary und 13 weitere Regierungsvertreter. Der Verdacht, dass Kabila den unpopulären Shadary nur vorgeschickt haben könnte, um weiter die Fäden zu ziehen, wird durch seine Ankündigung erhärtet, er könne sich vorstellen, selbst wieder zu kandidieren, wenn 2023 die nächsten Wahlen stattfinden sollten. „Im Leben wie in der Politik schließe ich nie irgendetwas aus“, ließ er einen Reuters-Interviewer wissen. Umfragen sehen Tshisekedi mit 36 Prozent der Stimmen vorne, gefolgt von Kamerhe, Shadary und Fayulu.