Aller au contenu principal
Pour une autre politique de développement!

Beitrag vom 14.01.2019

FAZ

Auf der Jagd nach Diamanten und Uran

In Sudan tauchen mutmaßlich russische Söldner auf. Die sind inzwischen in vielen afrikanischen Ländern unterwegs. Es geht um Macht – und viel Geld.

Von Friedrich Schmidt und Thilo Thielke

KAPSTADT/MOSKAU, im Januar
Seit dem 19. Dezember gehen in Sudan fast täglich Menschen auf die Straße, um gegen die Regierung zu demonstrieren. Auslöser war die Verdreifachung der Brotpreise in dem bitterarmen Land. Doch schon längst wird der Rücktritt des Präsidenten Omar al Baschir gefordert. Das Regime reagiert auf die Proteste mit der gewohnten Härte: Demonstranten werden niedergeknüppelt, Oppositionelle reihenweise verhaftet, Sicherheitskräfte feuern mit scharfer Munition in die Demonstrationszüge. Dutzende Menschen sollen bereits ihr Leben verloren haben, Bilder zeigen Tote und Schwerverletzte. Es sind Bilder, wie man sie kennt aus dem nordostafrikanischen Land, in dem seit Jahrzehnten Kriege toben.

Ungewöhnlich sind Aufnahmen, die jetzt aufgetaucht sind und in sozialen Netzwerken verbreitet werden. Sie zeigen eine Gruppe weißer Männer, die von der Ladefläche eines sandfarbenen Militärlasters steigen. Die Bilder sollen in der Hauptstadt Khartum aufgenommen worden sein, in unmittelbarer Nähe der Proteste. „Das sind eindeutig keine Reporter, sie tragen keine Pressewesten, sie werden auch nicht von Mitarbeitern des Geheimdienstes begleitet“, sagt der amerikanische Jurist und Sudan-Fachmann Jonathan Hutson, der die Bilder analysierte und auf Twitter verbreitete: „Bei dem Militärlaster handelt es sich eindeutig um einen Ural-4320, gebaut in Russland und nicht in einem anderen Land der ehemaligen Sowjetunion, in dieser Version gedacht für militärische Einsätze und den Transport von Truppen.“

Hutson untersuchte auch die Geodaten der Aufnahmen. Er ist überzeugt: „Die Bilder sind echt, und sie zeigen russische Söldner bei der Arbeit.“ Zudem will der amerikanische Menschenrechtsanwalt mit Augenzeugen gesprochen haben, die „Gruppen dieser jungen, physisch fitten, Russisch sprechenden weißen Männer in Khartum schon seit Monaten gesehen haben“. Gegner des Baschir-Regimes gehen davon aus, dass die Russen Mitarbeiter des sudanesischen Geheimdienstes „National Intelligence and Security Services“ (NISS) ausbilden sollen. Die NISS gelten als eines der wichtigsten Werkzeuge im Machtapparat Baschirs, eines Islamisten, der sich 1989 an die Macht putschte und gegen den wegen Völkermords und Verbrechen gegen die Menschheit ein Haftbefehl des Haager Strafgerichtshofs vorliegt. Alarmiert zeigten sich von Hutsons Berichten auch die Reporter der „Sudan Tribune“, einer Online-Zeitung, die von Oppositionellen aus dem Pariser Exil betrieben wird. Sie hätten „mit einer Quelle aus dem Umfeld von NISS“ gesprochen, berichten sie. Diese habe bestätigt, dass russische Söldner der „Wagner“-Gruppe in Sudan seien, um die sudanesischen Geheimdienstleute auszubilden.

Diese bewaffnete Gruppe ist nicht offiziell, nach dem Gesetz ist Söldnertum in Russland sogar illegal. Doch mit dem Plazet des Kremls ist das kein Problem. Bei den mittlerweile vielfach bezeugten Aktivitäten von „Wagner“ überlappen sich geopolitische Projekte von Präsident Wladimir Putin, das Interesse daran, die wahren Kosten von Auslandseinsätzen zu verringern und zu verschleiern sowie die Geschäftsinteressen des St. Petersburger Geschäftsmanns Jewgenij Prigoschin, einem Weggefährten Putins, dem „Wagner“ zugeordnet wird. Die Gruppe wurde indes nicht nach Prigoschin, sondern nach dem Kampfnamen ihres Kommandeurs benannt, dem früheren Offizier des Militärgeheimdiensts Dmitrij Utkin, den Putin Ende 2016 im Kreml als „Held des Vaterlands“ geehrt hat. Auch sonst geht es offiziös zu: Die Söldner sollen im südwestrussischen Molkino ausgebildet werden, wo der Militärgeheimdienst GRU eine Trainingsstätte hat. „Wagner“ soll neben Sold auch Prämien für Verwundete und Hinterbliebene zahlen, sofern Letztere schweigen. Auf einen offiziellen Status als Militärveteran und damit verbundene Leistungen können die Söldner, die vielfach aus prekären Verhältnissen stammen oder durch Schulden in die Berufswahl getrieben werden, nach ihrem Dienst aber nicht hoffen, sofern sie überleben. So spart der Staat. Aus Sicht der Mächtigen ist auch zu begrüßen, dass umgekommene Söldner nicht in den offiziellen Gefallenenstatistiken auftauchen.

Prigoschin machte nach eigenen Angaben Putins Bekanntschaft, als der im Jahr 2000 mit dem damaligen japanischen Ministerpräsidenten zum Essen in einem St. Petersburger Edelrestaurant des Unternehmers vorbeikam. Es folgten lukrative Verpflegungsaufträge für Putins Petersburger Wirtschaftsforum, Kreml-Veranstaltungen, Schulen und – der wichtigste Posten – die russischen Streitkräfte. So kam Prigoschin zu seinem Spitznamen „Putins Koch“ und zu einem Vermögen, das er laut vielen Berichten mittlerweile auch für die Grauzonen von Putins Außenpolitik verwendet. Prigoschin wird neben den „Wagner“-Söldnern auch die als „Trollfabrik“ bekannte „Internet Research Agency“ in St. Petersburg zugeordnet, von der aus Online-Kampagnen in Russland und im Westen im Sinne des Kreml geführt werden.

Die Vereinigten Staaten haben Prigoschin und mehrere mit ihm verbundene Unternehmen mit Sanktionen belegt, Sonderermittler Robert Mueller hat ihn, drei ihm zugeordnete Unternehmen und zwölf weitere Russen wegen Einmischung in den Präsidentschaftswahlkampf 2016 angeklagt. Russische Journalisten, die es mit „Wagner“ zu tun bekommen, leben gefährlich. Der Moskauer Zeitung „Nowaja Gaseta“ wurde ein Grabgesteck und ein Hammelkopf zugeschickt, adressiert an einen Journalisten, der in einem im November veröffentlichten Artikel Prigoschins Leuten die Einschüchterung und Tötung von Gegnern in Russland und der Ostukraine zuschrieb. In Jekaterinburg starb im April vorigen Jahres ein Journalist, der über „Wagner“-Söldner recherchierte, die bei einem amerikanischen Luftschlag in Syrien gefallen waren, nach einem Sturz aus dem Fenster, kurz nachdem er einem Freund über Männer in Flecktarn vor seiner Wohnung erzählt hatte.

Nach der Ostukraine gilt Syrien als Haupteinsatzgebiet der Söldner, wo sie für das Regime Baschar al Assads kämpfen. Von dort ist bekannt, dass militärische Erfolge, nämlich die Rückeroberung von Öl- und Gasfeldern, auf fünf Jahre mit einem Viertel der jeweiligen Fördermenge vergolten werden sollen. Vom Einfluss Prigoschins zeugte, dass er laut Videoaufnahmen im vergangenen Dezember in einer Unterredung russischer Militärs um Verteidigungsminister Sergej Schojgu mit dem libyschen Kriegsherrn Chalifa Haftar in Moskau mit am Tisch saß; worüber verhandelt wurde, blieb unbekannt. Die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtete, Prigoschins Leute leisteten Haftars Truppen militärische Dienste im Gegenzug für Energiegeschäfte; die Betroffenen wollten das nicht kommentieren.

In Afrika tauchten die „Wagner“-Söldner bisher vorwiegend in der Zentralafrikanischen Republik auf. Seit Jahren wird das Land von Milizen terrorisiert; obwohl es reich an Diamanten und Uranvorkommen ist, gehört es zu den ärmsten Ländern der Erde. Es scheint, als suche Präsident Faustin Archange Touadera seit dem Abzug der Franzosen, die als ehemalige Kolonialmacht in seinem Land einst eine starke Militärpräsenz unterhielten, neue Verbündete. Russland nahm das Angebot an – auch ganz offiziell: Im vergangenen August unterzeichneten beide Länder am Rande einer Militärmesse in Moskau ein Verteidigungsabkommen. Unter anderem wurde die Ausbildung afrikanischer Militärs in Russland beschlossen. Und Präsident Touadera hat offenbar einen Prigoschin-Mann als Sicherheitsberater.

Zuvor war offiziell die Entsendung von 170 russischen Beratern in die Zentralafrikanische Republik bekannt geworden. Allerdings scheint sich deren Tätigkeit nicht nur auf den Austausch von Informationen zu beschränken. Nachdem Rechercheure des russischen „Conflict Intelligence Team“ enthüllt hatten, dass Moskau neben den Beratern wohl auch Ural-4320-Militärlaster und „900 Makarow-Pistolen, 5200 Kalaschnikow-Schnellfeuergewehre, 840 Kalaschnikow-Maschinengewehre, 140 Scharfschützengewehre, 270 Panzerfäuste und 20 Einmann-Flugabwehr-Lenkwaffen“ in das Land geliefert hatten, machten sich vor einem halben Jahr drei russische Journalisten für ein Projekt des Putin-Gegners Michail Chodorkowskij auf die Suche nach der ominösen Truppe, die ihre Basis im ehemaligen zentralafrikanischen Kaiserpalast Berengo haben soll. Wenige Tage nach ihrer Landung in der Hauptstadt Bangui fand man im Landesinnern ihre von Kugeln durchsiebten Leichen. Hartnäckig halten sich Gerüchte, erhärtet durch journalistische Recherchen, dass sich „Wagner“-Söldner der Spürnasen entledigt haben, um ungestört ihren Geschäften nachzugehen. Das Interesse gelte hauptsächlich den Gold-, Diamant- und Uranvorkommen des Landes, heißt es. Die französische Zeitung „Le Monde“ berichtete vor kurzem, Prigoschin habe Ende August vorigen Jahres an einem Treffen mit Führern bewaffneter Gruppen der Zentralafrikanischen Republik in Khartum teilgenommen.

Bis zum Ende des Kalten Kriegs lieferten sich Washington und Moskau geradezu einen Wettlauf um die Gunst afrikanischer Despoten. Danach zog sich Russland aber weitgehend aus dem Kontinent zurück und überließ das Feld hauptsächlich den Chinesen. Das scheint sich nun zu ändern. „Moskau befindet sich seit der Annexion der Krim in einer Konfrontation mit dem Westen und droht dabei international zunehmend isoliert zu werden“, sagt der ehemalige deutsche Diplomat und Afrika-Kenner Volker Seitz. „Das hat den Kreml offenbar bewogen, nach Verbündeten in Afrika zu suchen, nicht zuletzt wegen deren Stimmen in der UN-Generalversammlung.“ Umgekehrt seien für afrikanische Länder „bessere Beziehungen zu Russland attraktiv, weil sie so Europa und China unter Druck setzen können“. Auch verspreche Moskau den afrikanischen Staatschefs mehr Mitsprache bei den UN.

Russlands Außenminister, Sergej Lawrow, spricht von einer „neuen Weltordnung“ mit Afrika als „wichtigem Eckstein“. Präsident Putin will in diesem Jahr einen „Russland-Afrika-Gipfel“ mit Dutzenden Staatschefs des Kontinents abhalten. Nicht nur mit der Zentralafrikanischen Republik beschloss Moskau eine militärische Zusammenarbeit, sondern auch mit Burkina Faso, Guinea und Ägypten. Auch das vermutliche Engagement der „Wagner“-Söldner in Sudan liegt auf der offiziellen politischen Linie: Im November 2017 trafen sich Putin und Baschir in Sotschi und beschlossen die Ausrüstung der sudanesischen Armee mit Kampfflugzeugen und Boden-Luft-Raketen aus russischen Beständen. Im Gegenzug soll Moskau die Erlaubnis erhalten haben, an der sudanesischen Küste am Roten Meer eine Militärbasis zu errichten. Noch im November 2017, berichtet der amerikanische Krisen-Informationsdienst Stratfor, „wurde Sudan das erste arabische Land, das die vierte Generation russischer Su-24-Kampfflugzeuge erhielt“. Die Lieferung sei Teil eines Geschäfts von rund einer Milliarde Dollar Umfang. Die Stratfor-Militärfachleute gehen davon aus, dass es sich damit bloß um einen ersten Schritt gehandelt habe: „Khartum hat schon seit Jahren mit vielen internen Konflikten zu kämpfen, da könnte die kampferprobte Erfahrung von noch mehr russischen Militärtrainern willkommen sein.“ Die ersten Russen, so Stratfor, seien schon am 5. Januar 2018 in Sudan aufgetaucht, um die Sudanesen in Grenzkonflikten mit Südsudan zu unterstützen. Sie sollten Gold-, Uran- und Diamantenminen sichern und den Boden für russische Investitionen bereiten. Die „Wagner“-Leute sollen selbst Konzessionen zur Ausbeutung von Gold- und Diamantenfeldern erhalten haben. „Baschir hat das Versprechen wahrgemacht, das er Putin 2017 gegeben hat“, sagt Jonathan Hutson: „Sein Land wird Russlands Tor nach Afrika.“

Im Juli 2018 trafen sich Putin und Baschir abermals, diesmal in Moskau. Im Dezember ermöglichte Putin einen Besuch des sudanesischen Präsidenten bei Baschar al Assad in Damaskus – Baschir reiste an Bord eines russischen Flugzeugs. Es war der erste Besuch eines Staatschefs aus einem der Länder der Arabischen Liga seit der Krieg in Syrien ausbrach – und ein deutliches Zeichen für die engen Beziehungen zwischen Khartum und Moskau.

Nach einem Bloomberg-Bericht sollen die „Wagner“-Leute in mittlerweile zehn afrikanischen Staaten tätig sein, unter anderem auch in Moçambique, Libyen und Madagaskar, Guinea und Angola und Zimbabwe. Dort sollen Leute Prigoschins Emmerson Mnangagwa, den siegreichen Kandidaten bei den umstrittenen Präsidentenwahlen im Juli 2018, beraten haben; Mnangagwas Partei hat das zurückgewiesen. Die Moskauer Zeitung „Kommersant“ berichtete im April vorigen Jahres, Jewgenij Prigoschin finanziere ein „afrikanisches Projekt“ mit russischen Politikberatern für Länder, in denen Wahlen bevorstünden. Politische Macht kommt schließlich nicht nur aus Gewehrläufen.