Aller au contenu principal
Pour une autre politique de développement!

Beitrag vom 17.01.2019

NZZ

Der Migrationsbuckel ist eine unbequeme Wahrheit für Politiker im reichen Norden

«Fluchtursachenbekämpfung» lautet jeweils das Schlagwort, wenn im Kampf gegen unerwünschte Migration mehr Entwicklungshilfe gefordert wird. Der Forderung liegt ein leeres Versprechen zugrunde.

Thomas Fuster

Europas Sogwirkung auf Migranten stellt die Politik vor grosse Herausforderungen. Oft wird daher gefordert, im Sinne einer «Fluchtursachenbekämpfung» die Entwicklungshilfe zu erhöhen – vor allem für Afrika südlich der Sahara, wo sich die Bevölkerung bis 2050 ver­doppeln dürfte. Man müsse den potenziellen Migranten in den Herkunftsländern nur stärker unter die Arme greifen, dann schwinde auch deren Wunsch nach Auswanderung. So plausibel der Appell tönen mag, die Realität sieht anders aus. Denn mehr Entwicklung führt meist nicht zu weniger, sondern zu mehr Migration.

Ökonomen sprechen vom Migrationsbuckel (Migration hump). So nimmt die Auswanderung mit steigen­dem Einkommen zu, ehe sie ab einem bestimmten Einkommen wieder sinkt. Aufgrund dieses Zusammen­hangs haben Länder mit einem Pro-Kopf-Einkommen unter 2000 $ denn auch nur eine ein Drittel so hohe Auswanderungsquote verglichen mit den Ländern mit einem Einkommen zwischen 5000 und 10000 $. Der Grund: In sehr armen Ländern fehlt den Menschen schlicht das Geld, um die Migration finanzieren zu können. Ein Rückgang der Migration findet derweil erst ab einem Einkommen zwischen 8000 und 10 0000 $ statt. Dieser Bereich liegt weit über dem Einkommen in fast allen Empfängerländern.

Soll man nun auf Entwicklungshilfe verzichten, um die Migration nicht zusätzlich anzukurbeln? Wohl kaum. Denn das Einkommen ist nicht der einzige Grund zum Auswandern. Oft trägt etwa auch die Korruption oder fehlende Rechtsstaatlichkeit zum Entscheid bei. Hier kann Entwicklungshilfe einiges leisten, wenn sie sich an klaren Konditionalitäten ausrichtet und nicht davor zurück­schreckt, sämtliche Unterstützung (ausser der humanitären Nothilfe) einzustellen, wenn die Good-Governance-Auflagen unerfüllt bleiben. Doch auch auf diesem Weg wird es kaum gelingen, die Migration wirksam zu reduzieren. Dazu ist die wirtschaftliche Sogwirkung des reichen Nordens schlicht zu stark.