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Beitrag vom 04.08.2022

FAZ

EINSATZ IM SAHEL

Schikanen gegen die Bundeswehr in Mali

Nach dem Abzug Frankreichs versucht Malis Militärregierung mit Schikanen die MINUSMA-Mission zu vergraulen. Das bekommen auch die deutschen Soldaten zu spüren.

Von Claudia Bröll, Peter Carstens

Gefährlicher Einsatz gegen den Terror: Bundeswehrsoldatinnen Anfang April im Camp Castor im malischen Gao
Gefährlicher Einsatz gegen den Terror: Bundeswehrsoldatinnen Anfang April im Camp Castor im malischen Gao dpa
Die Bundeswehr gerät in Mali immer mehr unter den Druck der Militärregierung und kann das UN-Mandat des Bundestages immer schwerer erfüllen. Am Mittwoch hat sich der Verteidigungsausschuss des Bundestages in einer Sondersitzung auch mit der Situation des deutschen Kontingents des internationalen MINUSMA-Einsatzes in dem westafrikanischen Land befasst. Seit Monaten verengt das Regime des Putschistenführers Assimi Goïta der Bundeswehr und anderen Staaten, die zur Stabilisierung des Landes und zur Unterstützung der Regierung in Bamako in Mali eingesetzt sind, die Bewegungs- und Handlungsmöglichkeiten.

Zuletzt teilte die malische Regierung dem zivilen Flughafenbetreiber in Bamako mit, alle ausländischen Soldaten müssten das Gelände verlassen. In einem Schreiben des Ministeriums für Transport und Infrastruktur am Dienstagabend heißt es, der Betreiber habe gegen eine Vereinbarung verstoßen, als er ein „Hotel mit anderen Annehmlichkeiten“ für ausländische Streitkräfte errichtet habe. „Diese Tatsache führt zu Risiken für die innere und äußere Sicherheit des Staates und stellt eine Verletzung Ihrer vertraglichen Verpflichtungen dar.“ Die Flughafengesellschaft dürfe nur „Büros, Hangars und Verkehrswege“ bereitstellen. Die ausländischen Streitkräfte müssten innerhalb von 72 Stunden ab Dienstag dieser Woche weichen. Das Hotel am Flughafen wird bisher vor allem von der Bundeswehr als Transit-Camp genutzt, um von dort zum Hauptstützpunkt Gao weiterzureisen. Das Einsatzführungskommando teilte dazu mit, dass davon auch etwa 60 Soldaten betroffen seien. Man versuche durch „Gespräche auf allen Ebenen eine schnellstmögliche Klärung und Lösung des Sachverhaltes“ zu erreichen.

Das tiefe Zerwürfnis mit Frankreich ist nur der Anfang gewesen

Goïta, ein Oberst der malischen Armee, hatte sich im Frühjahr 2020 an die Macht geputscht und im vorigen Jahr Frankreich zum gänzlichen Abzug aus Mali bewegt. Zugleich lud das Regime in Bamako russische Kräfte nach Mali ein, darunter nach Auffassung der Bundesregierung russische Söldner der sogenannten „Gruppe Wagner“. Wegen dieser Aktivitäten ist die europäische Ausbildungsmission EUTM im Land bereits ausgesetzt. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) hatte schon mehrfach angekündigt, dass unter solchen Umständen ein Abzug des deutschen Kontingents unvermeidlich sein könnte.

Malis Militärregierung wendet sich schon seit ihrer Machtübernahme von den Verbündeten der früheren Regierung ab. Das tiefe Zerwürfnis mit der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich ist offensichtlich nur der Anfang gewesen. Jetzt scheinen die Machthaber in der malischen Hauptstadt Bamako auch die Friedensmission der Vereinten Nationen, MINUSMA, aus dem Land vertreiben zu wollen. „Es sieht so aus, als ob Mali versucht, mit immer neuen Einschränkungen und Nadelstichen Deutschland und andere westliche Truppensteller zum Abzug zu bringen“, sagt Ulf Laessing, Leiter des Sahel-Programms der Konrad-Adenauer-Stiftung.

Vor allem in den sozialen Medien wird schon seit längerer Zeit die Stimmung gegen MINUSMA und auch gegen die Bundeswehr geschürt. So sorgten die klaren Worte von Lambrecht im Juli in Zeitungen und im Internet tagelang für Aufruhr und Kritik. Die deutsche Ministerin hatte die malischen Machthaber aufgefordert, sich zu „erklären, ob sie weiter mit der internationalen Gemeinschaft bei der Bekämpfung des Terrorismus zusammenarbeiten wollen, ob wir willkommen sind“. Daran habe sie aktuell Zweifel. Es könne nicht sein, dass mit „schikanösen Praktiken“ die Arbeit deutscher Soldaten erschwert und teilweise unmöglich gemacht werde.

Bergbau-Konzessionen und das Geschäft mit Rohstoffen

Gleichzeitig nimmt der Einfluss Russlands in dem krisengeschüttelten Land zu. Schätzungen nach ist die Zahl der russischen Soldaten und Söldner jüngst trotz des Ukrainekriegs gestiegen. Derzeit sollen sich etwa 1000 Mann in dem Land befinden, außerdem acht russische Hubschrauber. Ein großes russisches Transportflugzeug ist am Flughafen in Bamako geparkt. Berichten zufolge haben sich einige der Söldner mittlerweile mit informellen Goldschürfern im Norden des Landes verbündet. Bergbau-Konzessionen und das Geschäft mit Rohstoffen sind auch in anderen afrikanischen Ländern wie der Zentralafrikanischen Republik die wichtigste Einnahmequelle für die private Söldnertruppe.

Weite Teile der malischen Bevölkerung unterstützen die Militärregierung weiter und setzen ihre Hoffnung auf die russischen Einsatzkräfte. Westliche Länder wiederum werden immer wieder beschuldigt, wie neue Kolonialherren aufzutreten. Zudem hätten die Militäreinsätze – MINUSMA unterstützt die wechselnden Regierungen seit 2013 im Kampf gegen islamistische Terroristen – ihr Ziel nicht erreicht. Russische Propaganda vor allem in den sozialen Medien verstärkt diese Sicht. Deutschland hat bisher in Mali hohes Ansehen genossen. Doch dieses scheint seit einiger Zeit zu bröckeln.

Druck auf MINUSMA kommt auch von ziviler Seite. An diesem Freitag hat eine Bürgerbewegung namens „Yerewolo Standing on the Ramparts“ zu einer Massendemonstration am Kulturpalast in Bamako aufgerufen. Früher hatte sie gegen Frankreich protestiert, jetzt fordert sie den „Rückzug der MINUSMA von unserem Territorium“ bis zum 22. September. Die Mission sei zu einer „Besatzungsmacht“ geworden. Sie schüre ethnische Spannungen, Misstrauen und Ängste unter den Bürgern, schrieb die Organisation in einem Brief an die MINUSMA-Leitung. Malische Bürger betrachteten die Blauhelm-Mission als voreingenommen. „MINUSMA hat sich selbst das alleinige Mandat erteilt, Massaker zu untersuchen und herauszufinden, wer unter den Toten gut und wer böse ist. Aber sie ist nicht in der Lage, Terroristen unter den Lebenden aufzuspüren.“ Die amerikanische Botschaft in Bamako rief die Bewohner von Bamako zur Vorsicht auf, da bei Demonstrationen manchmal Gewalt ausbreche. Die Friedenstruppen der Vereinten Nationen geraten nicht nur in Mali zunehmend unter Druck. Auch in Kongo gab es jüngst heftige Proteste gegen die dortige Mission MONUSCO mit zahlreichen Todesopfern.

Die Schließung des Camps am Flughafen folgt auf zahlreiche weitere Schritte der Militärregierung, die gegen ausländische Einsatzkräfte und damit auch gegen die Bundeswehr gerichtet waren. So wurden Ein- und Überflüge verweigert, Aufklärungsdrohnen durften nicht mehr fliegen. Mitte Juli wurden 49 Soldaten der Armee der Elfenbeinküste als angebliche ausländische Söldner festgesetzt. Die Soldaten sollten am Flughafen von Bamako das deutsche Camp bewachen, so ist es seit Jahren üblich. Kurz darauf verweigerte die malische Regierung acht deutschen Soldaten die Ausreise aus Mali, angeblich wegen unvollständiger Dokumente.

Mandat des Bundestages gilt bis zum 31. Mai 2023

In dieser Woche markierten zwei weitere unfreundliche Akte den bisherigen Tiefpunkt der Beziehungen. So entzog das Regime Anfang der Woche die geltenden Genehmigungen für den taktischen Verwundetentransport sowie auch für Flüge mit dem Militärtransporter A400M. Die Bundeswehr teilte mit, man könne die Deutschen in Gao weiterhin medizinisch ausfliegen, durch Direktflüge von und nach Deutschland. In der Nacht zu Mittwoch konnte der Beschluss der malischen Regierung allerdings rückgängig gemacht werden. Ebenfalls zur Wochenmitte teilte das Verteidigungsministerium mit, dass die Rotation von Soldaten – auch aus dem deutschen Kontingent – weiterhin ausgesetzt bleibe. Der nächste große Kontingentwechsel steht erst in einigen Wochen an, aber bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt sitzen etwa 100 Soldaten in Mali fest, die eigentlich ausfliegen sollten. Damit kann die Bundeswehr ihre Soldaten nach dem monatelangen Dienst nicht mehr nach Hause bringen und frische Kräfte einfliegen. Das Verteidigungsministerium teilte am Mittwoch dazu mit: „Die Sicherheit unserer Soldatinnen und Soldaten hat höchste Priorität. Ein Aussetzen der Personalrotation in Mali erschwert die wichtige Aufgabe gegen den Terrorismus in der Region. Als Voraussetzung für unser weiteres Engagement muss die Situation umgehend geklärt werden.“

Das aktuelle Mandat des Bundestages für die Bundeswehr gilt bis zum 31. Mai 2023. Demnach ist nun der Einsatz von bis zu 1400 deutschen Soldatinnen und Soldaten möglich. Derzeit sind 1062 Soldaten in Mali eingesetzt. Die internationale MINUSMA-Mission umfasst nach Angaben der Bundeswehr insgesamt etwa 13 000 Soldaten und 2000 Polizisten. Das deutsche Kontingent ist zum großen Teil im sogenannten „Camp Castor“ in Gao stationiert. Zudem gibt es Personal in Bamako und an einem Lufttransportstützpunkt für Material- und Personaltransporte und die Verwundetenversorgung im benachbarten Niger. Befehlshaber des deutschen Kontingents ist derzeit Oberst Peter Küpper.

Zu den Voraussetzungen eines weiteren deutschen Engagements gehört, dass französische Hubschrauber ersetzt werden, die gemeinsam mit dem übrigen französischen Kontingent abgezogen werden. Lambrecht hatte Ende Juni angekündigt, dass sie sich in diesem Fall „verantwortlich gegenüber meinen Soldatinnen und Soldaten verhalten“ wolle. Gespräche Lambrechts mit ihren italienischen und spanischen Kollegen über eine Entsendung von Kampfhubschraubern waren zunächst ergebnislos verlaufen. Die Bundeswehr ist nach Ansicht der Ministerin selbst nicht in der Lage, Kampfhubschrauber zu entsenden, und sieht die Vereinten Nationen in der Pflicht.