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Beitrag vom 04.10.2022

FAZ

KRISE IM SAHEL

Putsch stürzt Burkina Faso ins Chaos

In Burkina Faso werden nach einem abermaligen Militärputsch französische Einrichtungen angegriffen. Paris erwartet einen Schwenk der neuen Machthaber zu Russland.

Von Claudia Bröll, Michaela Wiegel

Nach einem abermaligen Militärputsch in Burkina Faso ist es zu Ausschreitungen in dem westafrikanischen Land gekommen, die sich vor allem gegen Frankreich richten. In der Hauptstadt Ouagadougou wurde die französische Botschaft mit Brandsätzen beworfen. Vorher hatte ein aufgebrachter Mob das Gelände gestürmt und das Gebäude verwüstet. Mehrere weitere französische Einrichtungen und Tankstellen des französischen Ölkonzerns Total wurden angegriffen. Demonstranten in der Hauptstadt forderten den „Abzug Frankreichs“ und schwenkten russische Fahnen.

Am Freitag hatte eine militärische Einheit die bisherige Militärregierung unter dem Übergangspräsidenten Paul-Henri Sandaogo Damiba gestürzt. In der Hauptstadt waren am frühen Morgen Schüsse nahe dem Präsidentenpalast zu hören. Am Abend erklärte ein gutes Dutzend Soldaten in Tarnuniform im Fernsehen, die Macht übernommen zu haben. Damiba war selbst im Januar über einen Putsch gegen den demokratisch gewählten Präsidenten Roch Marc Christian Kaboré an die Macht gelangt. Der neue starke Mann in Burkina Faso heißt Ibrahim Traoré. Mit 34 Jahren ist er der jüngste Anführer in der Region. Er leitete vorher eine „Cobra“ genannte Spezialeinheit, hatte den Putsch gegen Kaboré unterstützt.

Seine Militäreinheit verwies auf das Versagen der vorherigen Junta, islamistische Terroristen und andere bewaffnete Gruppen zurückzudrängen. Analysten zufolge hat sich die Sicherheitslage für die Bürger sogar verschlechtert, seit das Militär regiert. In der vergangenen Woche wurden elf Soldaten und 50 Zivilisten getötet, nachdem bewaffnete Kämpfer einen vom Militär begleiteten Versorgungskonvoi angegriffen hatten. Wegen der nicht endenden Gewalt hatte Damiba vor zwei Wochen den Verteidigungsminister entlassen und die Rolle selbst übernommen.

Unterstützer des neuen Machthabers Traore griffen die französische Botschaft in der Hauptstadt Ouagadougou an. Sie werfen dem gestürzten Präsidenten Damiba vor, das Gebäude als Basis für eine Gegenoffensive zu nutzen. Reuters
Damibas Junta hatte sich im Gegensatz zur Übergangsregierung in Mali nicht von Frankreich ab- und Russland zugewandt. Das dürfte mit zum Putsch beigetragen haben. Frankreich hat 450 Elitesoldaten der „forces spéciales“ (Codename: Säbel) in Burkina Faso stationiert, die auf der Grundlage eines bilateralen Abkommens im Antiterrorkampf eingesetzt werden. Anders als in Mali wird das Militär dort bisher nicht von russischen Soldaten und Söldnern der russischen Wagner-Gruppe unterstützt. Wie in Mali herrscht aber auch in Burkina Faso eine antifranzösische Stimmung. Sie beruhe teils auf der Kolonialzeit, beobachtet Ulf Laessing, Leiter des Sahel-Programms der Konrad-Adenauer-Stiftung. Die Franzosen würden in der Region teils aber auch als arrogant und dominierend empfunden. Dies nutzten die neuen Militärführer nun aus, während Russland über Kampagnen in den sozialen Medien die Stimmung zusätzlich anheize. Aus Sicht von Wissenschaftlern am Institut für strategische Recherche der Ecole Militaire in Paris (IRSEM) spannt Russland über Mali ein Desinformationsnetzwerk über ganz Westafrika. Ziel sei es, die französische Präsenz anzuprangern und den positiven russischen Einfluss zu betonen. Der französische Botschafter in Burkina Faso beklagte kürzlich, die sozialen Netzwerke seien „die Echokammer für alle diejenigen geworden, die Verschwörungstheorien gegen Frankreich verbreiten“. Viele Burkinaber glaubten inzwischen, dass die ehemalige Kolonialmacht Frankreich für die Ausbreitung des Terrorismus verantwortlich sei.

Die Putschisten rund um Traoré warfen Damiba in der Fernsehansprache vor, eine Gegenoffensive von der französischen Militärbasis Kamboincé im Norden von Ouagadougou vorzubereiten. Dort habe ihm Frankreich Schutz gewährt. Frankreich indes hat jegliche Beteiligung an dem Putschprozess bestritten. Außenministerin Catherine Colonna wies in einem Gespräch mit dem Auslandsradiosender RFI entschieden den Verdacht zurück, Paris habe Fluchthilfe geleistet. „Wir haben keine Rolle gespielt und werden auch keine Rolle spielen“, sagte Colonna. Es handele sich um eine „interne Krise“ des Landes.

Sie bedauerte, dass die Falschmeldungen zu Übergriffen auf französische Interessen in Ouagadougou und in anderen Städten führten. In den sozialen Medien zirkulieren Videos, auf denen die verwüsteten Innenräume des Kulturzentrums Institut français in der Hauptstadt zu sehen sind. Gezeigt wurde unter anderem, wie die Eindringlinge Bücher verbrannten und Bildschirme und Computer herausrissen. Die Bibliothek Georges Méliès im französischen Kulturinstitut zählt zu den größten des Landes und wurde gerade von den einheimischen Studenten stark genutzt. Die Außenministerin forderte die etwa 4000 Franzosen in Burkina Faso auf, ihre Wohnungen nicht zu verlassen. In den sozialen Netzwerken gab es Aufrufe, die verbleibenden Franzosen zu ermorden.

Übergangspräsident soll nach Togo geflohen sein

Der neue Machthaber Traoré kündigte in einer weiteren Fernseherklärung an, die „Partnerschaft“ mit Frankreich überdenken und „andere Partner“ finden zu wollen, „die im Kampf gegen den Terrorismus helfen“. In Paris wird darüber spekuliert, dass Traoré bereits in Kontakt mit der russischen Söldnergruppe Wagner stehe. Der Chef der Wagner-Miliz, Jewgenij Prigoschin, veröffentlichte eine Erklärung, in der er Traoré seiner Unterstützung versicherte. Damiba habe das Vertrauen der jungen Offiziere enttäuscht, schrieb Prigoschin. „Jetzt haben sie getan, was notwendig war und es nur für das Wohl ihres Volkes getan.“ Französische Sicherheitsfachleute haben seit dem Jahresbeginn ein erhöhtes Interesse der Wagner-Miliz an Burkina Faso bemerkt. Aber Damiba habe ihre Avancen immer zurückgewiesen.

Der gestürzte Übergangspräsident soll nach Togo geflohen sein. Er rief seine Rivalen auf Facebook zur „Vernunft“ auf. Sie sollten „einen Bruderkrieg vermeiden, den Burkina Faso nicht braucht“. Nach Vermittlungsbemühungen, an denen auch religiöse Akteure beteiligt waren, gab er seinen Rücktritt bekannt, allerdings unter Bedingungen. Dazu gehört eine Sicherheitsgarantie. Er forderte auch, seine Zusage an die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas zu respektieren, innerhalb von zwei Jahren demokratische Wahlen abzuhalten.